engels: Herr Sattler, was bringt das TTIP der Wirtschaft?
Hugo Benten Sattler: Deutschland und die Bergische Region sind sehr erfolgreich im Export. Unsere Unternehmen sind auf offene Märkte und freien Handel angewiesen. Gerade die USA sind seit langer Zeit Deutschlands wichtigster Partner außerhalb Europas. Im Bergischen hatten wir im ersten Halbjahr 2014 eine Exportquote von 51,4 Prozent. In Remscheid lag sie sogar bei 55 Prozent. Daran kann man sehen, dass ein Handelsabkommen wie TTIP sehr wichtig ist – auch für unseren Wohlstand, um das deutlich zu sagen.
Klagen viele Unternehmen über Handelsbarrieren?
Konkret sind mir keine aktuellen Beschwerden bekannt.
Wie wichtig ist ein offener Markt für lokale Firmen?
Die Öffnung ist sehr, sehr wichtig. Da hängt eine ganze Menge dran. Bei unserer letzten IHK-Umfrage mit dem Titel „Going International“ haben wir auch das Thema TTIP und Schwierigkeiten beim Export abgefragt. 82 Prozent der Teilnehmer fanden das Abkommen „wichtig“ beziehungsweise „sehr wichtig“. Wir haben auch gefragt, in welchen Bereichen sie positive wirtschaftliche Entwicklungen erwarten. 51 Prozent wünschen sie beim Abbau von Zöllen, 80 Prozent befürworten eine Erleichterung bei Normen, Standards und Zertifizierungen.
Wie groß sind denn die Barrieren eigentlich?
In den USA und Europa gelten oft verschiedene technische Normen, die teils auf unterschiedlichen Philosophien beruhen. Wenn Sie als deutsches Unternehmen auf den amerikanischen Markt wollen, brauchen Sie eine doppelte Zulassung. Sie müssen Produktvarianten vorhalten. Das erzeugt zusätzliche Kosten. Man spricht dabei von nicht-tarifären Handelshemmnissen. In der Öffentlichkeit ist zuletzt leider nicht immer sauber unterschieden worden: Harmonisierung ist nicht mit Aufweichung gleichzusetzen. Das haben wir auch nicht erlebt, als in den 90er Jahren in der Europäischen Union Normen angeglichen wurden. Damals hat es die gleichen Argumente dagegen gegeben. Heute haben wir ein hohes Niveau der Kontrolle im EU-Gebiet.
Welche Hindernisse gibt es noch?
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen sind die technischen Handelsbarrieren die größten Hürden. Für sie ist es schwierig, weil sie sich nicht wie große Firmen Abteilungen leisten können, die sich mit amerikanischen Produktnormen beschäftigen. Es geht aber noch weiter. Zwei Beispiele: Sie liefern ein technisches Produkt nach Amerika und wollen, dass ein Mitarbeiter zur Wartung in die USA fliegt. Dazu brauchen Sie aber ein Visum. Das geht aber leider überhaupt nicht schnell. Oder aus der Lebensmittelindustrie: Wer Nahrungsmittel in die USA exportieren möchte, muss sich bei der Food & Drug Administration registrieren. Das geht nur über einen Agenten mit Sitz in den USA.
Sind die IHK-Mitglieder geschlossen für das Freihandelsabkommen oder gibt es Abtrünnige?
Bei uns hat sich noch niemand gemeldet, der absolut dagegen ist. Ende August haben die gewählten Vertreter der bergischen Unternehmer beschlossen, das Freihandelsabkommen zu unterstützen. Und das, obwohl sich der Wettbewerb sicherlich erhöhen wird.
Kritiker werfen den Verhandlungspartnern Geheimniskrämerei vor. Fühlen Sie sich gut genug informiert?
Absolut. Ich finde, dass man sich vielfältig informieren kann – beispielsweise im Internet über die Seiten der Europäischen Kommission oder beim Bundeswirtschaftsministerium. Wer sich ein bisschen bemüht, findet Informationen. Ich befürworte übrigens, dass es eine Diskussion um das TTIP gibt – wenn sie auf Fakten beruht. Ob es gut ist, in Verhandlungen seine Position offen zu legen, ist noch mal eine andere Frage. Aber das Abkommen wird letztendlich dem Europäischen Parlament, dem Ausschuss für Handelspolitik und den Mitgliedsstaaten vorgelegt. Am Ende stimmen eventuell sogar die nationalen Parlamente darüber ab. Im Übrigen darf Vertraulichkeit nicht mit Geheimniskrämerei verwechselt werden.
Haben Sie persönlich keine Angst vor den vielbeschworenen Chlorhühnchen oder vor Genmais?
Nein, persönlich überhaupt nicht. Ich habe mich schon lange dafür entschieden, kein Hühnerfleisch mehr zu essen. An dieser Entscheidung ändert TTIP nichts. Wenn es denn gekennzeichneten Genmais gibt, werde ich ihn nicht essen. Im Übrigen muss anerkannt werden, dass es verschiedene Wege und Methoden zur Verbrauchersicherheit gibt. Sind die Amerikaner alle vergiftet? Eher nicht. Chloride sind nach Paragraph 11 der Trinkwasserverordnung auch für deutsches Trinkwasser zugelassen.
Also wird hier wie dort hinreichend kontrolliert?
Natürlich, es will doch keiner die eigenen Mitbürger vergiften. Ich denke, es geht eher um die Frage, was schmeckt den Europäern und was den Amerikanern.
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