Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
9 10 11 12 13 14 15
16 17 18 19 20 21 22

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Raubtierkapitalismus bald auch in der deutschen Kultur?
Foto: Laura Schleder

Hände weg von unserem Film

25. September 2014

Frankreich wehrte sich dagegen, dass über Kulturgüter verhandelt wird – mit Erfolg – Thema 10/14 Freier Handel

Was wäre die Filmgeschichte ohne Klassiker wie „Der Pianist“, „Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Les Misérables“ – oder die Kassenschlager „Ziemlich beste Freunde“ und „Das fünfte Element“? Gemeinsam haben alle diese Kinohits, dass sie auch in Frankreich produziert wurden. Und dass sie vom ausgeklügelten französischen Fördersystem profitiert haben, bevor sie auf den Leinwänden dieser Welt Millionen Zuschauer in ihren Bann zogen.

Möglicherweise wäre die französische Filmkultur auf den Prüfstand gestellt worden, wenn im Mai vergangenen Jahres nicht anders entschieden worden wäre. Bei Vorverhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP stand zur Debatte, ob Kulturgüter wie Film, Musik oder andere Medien einbezogen werden sollen. „Um die kulturelle Vielfalt in der EU nicht zu gefährden“ stimmte mit 381 EU-Abgeordneten eine große Mehrheit für eine „kulturelle Ausnahme“. Kulturgüter sind damit vorerst nicht mehr Teil der TTIP-Verhandlungen.

Frankreich übernahm damals die Vorreiterrolle. Knackpunkt ist ein grundsätzlicher Unterschied in der Wahrnehmung von Kultur. In den USA werden Filme von einer großen Industrie produziert und auf einem freien Markt als Ware gehandelt. In Frankreich hingegen wird die Produktion gefördert – wie in Deutschland und fast allen europäischen Ländern. Das französische System ist vielschichtig. Bereits 1946 wurde das Centre national de Cinématographie (CNC) gegründet, 1948 folgte eine Steuer auf Kinokarten. Im Schnitt sind das elf Prozent des Eintrittspreises. Außerdem tragen TV-Sender (5,5 Prozent ihrer Umsätze) oder Videoproduzenten (zwei Prozent) ihren Teil bei. Alles fließt zum CNC, das die Einnahmen weitergibt. Fernsehsender sind verpflichtet, einheimische Produktionen durch den Kauf von Filmrechten oder eine Koproduktion zu unterstützen. Schlussendlich gibt es das Institut zur Finanzierung des Kinos (IFCIC), über das Kredite auf Einnahmen und Vorschüsse abgewickelt werden.

Damit die Filme im TV laufen, gilt seit 1992 eine gesetzlich festgelegte Quote. 60 Prozent der im Fernsehen gezeigten Filme müssen aus Europa kommen, 40 Prozent davon aus Frankreich. Alle diese Schritte haben dazu geführt, dass in keinem anderen europäischen Land so viele Filme aus eigener Produktion angeschaut werden wie in Frankreich – von allen Kinogängern besuchen zwischen 35 und 45 Prozent einen Film aus der Heimat.

Die Franzosen gingen also aus ihrer Sicht aus gutem Grund für eine „exception culturelle“ voran. Und das, obwohl der audiovisuelle Sektor laut EU-Handelskommissar Karel de Gucht nur zwei Prozent des transatlantischen Handelsvolumens ausmache. Die Sorge: Wenn Förderungen, die nach Zuschauerzahlen fließen, für alle zugänglich gemacht würden, hätten amerikanische Blockbuster-Produzenten leichtes Spiel, Töpfe zu leeren. Befürchtet wurden auch Klagen gegen das Fördersystem. Aber diese Spirale ist durch das Veto von 2013 nun gestoppt. Vorerst.

Alle Prozent- und Zahlenangaben sind hier entnommen: http://ambafrance-de.org/Film-Das-franzosische-System-der

Florian Schmitz

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Wicked

Lesen Sie dazu auch:

attac: Neoliberalismus ins Museum
Globalisierungskritiker deponieren Thatchers Handtasche im Forum NRW – Spezial 08/16

Keine einfachen Lösungen
Matinee zu „Rum oder Gemüse?“ am 12.6. im Rex – Foyer 06/16

Kampf der Interessen
Die EU, der zahnlose Steuertiger? – THEMA 01/16 GERECHT STEUERN

Die Null muss stehen
Mit höheren Steuern finanziert Wuppertal den ausgeglichenen Haushalt 2017 – Thema 01/16 Gerecht Steuern

Ein Ansatz von Steuergerechtigkeit
In Schweden haben hohe Steuern und ein starker Sozialstaat Tradition – Thema 01/16 Gerecht Steuern

Maßgeschneiderter Schutz?
Regierung fordert Ausnahmen für Kultur in TTIP – Theater in NRW 11/15

Geheimer Handel
Beim Freihandelsabkommen TTIP sind noch viele Fragen offen. Die Politik hat es lange verpasst, die Bürger aufzuklären – THEMA 10/14 FREIER HANDEL

„Unser Protest hat Symbolwirkung“
Helmut Penschinski über den Sinn von lokalem Aufbegehren gegen TTIP – Thema 10/14 Freier Handel

„Gerade für kleine Unternehmen gibt es viele Barrieren“
Hugo Benten Sattler über die Chancen eines neuen Freihandelsabkommens – Thema 10/14 Freier Handel

Recht auf Wasser
Die Privatisierung eines Menschenrechts ist nicht immer sinnvoll – Thema 10/14 Freier Handel

engels-Thema.

HINWEIS