Eine Anfang des Jahres erschienene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ipsos brachte es ans Licht: Lediglich 17 Prozent aller Niederländer sagen von sich selbst, dass sie an die Existenz eines göttlichen Wesens glauben, dagegen sind mehr als 25 Prozent nach eigenen Angaben Atheisten. Damit übersteigt die Zahl der Nicht-Gläubigen die der konfessionell Gebundenen.
Immer mehr Atheisten schließen sich in Verbänden wie dem atheistisch Verbond zusammen. „Nicht Gott schuf den Menschen, sondern der Mensch Gott“, lautet das Motto des Verbandes, dersich unter anderem für die Privatisierung der Religion einsetzt und damit für die Befreiung der Verfassung von Bezügen auf Religionen. Statt religiöser Dogmen setzen die organisierten Atheisten auf eine säkulareEthik und Medizin, auf nicht-religiöse Sozialdienste und die Ablösung einer religiösen durch eine wissenschaftliche Argumentation.
Eine Studie weist Atheisten undpraktizierenden Christen ähnliche Persönlichkeitsmerkmale nach; nicht zuletzt weil beide Gruppen von ihrer Sache überzeugt sind und sich für die Verbreitung ihrer Überzeugung einsetzen. Die Atheisten unterscheiden sich allerdings durch ihre überdurchschnittliche Weltoffenheit und ihren Mut dazu, auch mal einen kontroversen Standpunkt einzunehmen – eine wichtige Eigenschaft für die säkulare und individuelle Suche nach Werten und Normen.
Strittig ist eine atheistische Haltung in den Niederlanden längst nicht mehr.Mit etwa 60 Prozent lässt die Mehrheit der Niederländer die Frage nach der Existenz eines göttlichen Wesens auf sich beruhen und zeigtkeineMotivation, in ein Gotteshaus zu gehen.Diese Gruppe teilt sich zu nahezu gleichen Teilen in diffus Gläubige und Agnostiker. Beide Gruppen schließen die Existenz eines göttlichen Wesens nicht kategorisch aus – und lassen zugleich ihr Leben nicht von metaphysischen Überlegungen leiten. Obschon die Agnostiker oft zu den Atheisten gezählt werden, zeigen diese sich in Glaubensdingen rechtgleichgültig: In der agnostischen Philosophie finden religiöse Aspekte keinen Raum, da diese Wissen und Glauben Weise miteinander gleichsetzen.
Die hohe Zahl der spirituell Gleichgültigen erklärt die Religionswissenschaftlerin Joke van Saane gegenüber der niederländischen Tageszeitung Trouw unter anderem so: In der Moderne rückt sich der Mensch selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit und ersetzt die göttliche Autorität durch seine eigene moralische Gesetzgebung.Van Saane sieht einen Grund für die schwindende Bedeutung der Religion im technischen Fortschritt: „Früher haben das Dorf, die Familie und die Kirche bestimmt, wer man ist. Heute kann man sich unter anderem über Facebook definieren ohne irgendwelche Glaubenshintergründe.“ Van Saane sieht die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und zur eigenständigen Definition der Persönlichkeit des Menschen durch die neuen Medien gestärkt. Einen ähnlichenGedanken verfolgt auch der Soziologe Albert Bandura. Er nimmt an, dass der stete Fortschritt der Wissenschaft den Glauben an übernatürliche Mächte mehr und mehr an den Rand des Lebens drängt, da dieser zur Erklärung der Welt nicht mehr nötig ist. Diese Entwicklung legt die Macht über das Leben in die Hände des Menschen – was nachweislich einen Einfluss auf dessen Glück hat. Ein nicht-religiöses und selbstbestimmtes Lebenscheint sich für die Niederländer auszuzahlen, das zeigen auchdie Statistiken: Seit Jahren belegen die Niederlande in internationalen Glücksrankings einen der ersten Plätze. Der Blick in die niederländische Nachbarschaft zeigt also keine metaphysische Obdachlosigkeit, sondern einen sehr beglückenden europäischen Trend.
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