Nichts an seiner Musik ist neu. Aber wie er das macht! Radioeins-Moderatorin Christine Heise („HappySad“, jeden Donnerstag) hat schon viel gehört – ihren Jerry-Leger-Button am Revers trägt sie nicht von ungefähr. Man sollte sich auch einen zulegen, am 30. Oktober im Kölner 674FM Konzertraum (ehemals Lichtung).
Ende 2023 habe ich den trotz Kritikerlob wenig bekannten kanadischen Musiker mit seiner Band in Essen gesehen. Obwohl da erst 38, kam er 70er-mäßig-oldschool rüber: braunes Kordsakko, orangefarbenes Riesenkragenhemd, Schnäuzer, Strubbelfrisur. Eine weiße Rose hatte ihm einer der Organisatoren ans Mikro gesteckt. Leger nahm das wohlwollend zur Kenntnis: „Ich hoffe, sie überlebt die Tour mit uns.“
Wie bei jedem Auftritt der Tour wurde zuerst „Donlands“, sein 2023er Album, komplett durchgespielt. Es ist ein meisterhaft sequenziertes, poetisches Album. Es sei cinematisch angelegt, als Film noir, sagte Leger in Essen, deshalb habe er unbedingt mit Produzent Mark Howard zusammenarbeiten wollen. Der Mann ist berühmt, bei Bob Dylans „Time Out of Mind“ (1997) wirkte Howard mit, bei Tom Waits‘ „Real Gone“ (2004) saß er an den Reglern, bei Courtney Marie Andrews‘ „May Your Kindness Remain“ (2018) ebenfalls. Alle drei Alben haben einen gespenstisch-verwehten, wabernden, leicht verschleierten Sound – Leger wollte ihn so. Die vorzügliche Band The Situation spielte nicht spektakulär auf Effekte: Alles diente der Story und dem Song – wie bei Leonard Cohen und Nick Lowe, Legers erklärten Vorbildern. Und über allem: Legers sonore, sämtliche Stimmungen exakt akzentuierende Stimme.
Nach einer kurzen Trinkpause folgten in Essen elf weitere Songs aus Legers bis dahin 14 Alben fassendem Repertoire. Krönender Abschluss: das beinahe siebenminütige „Factory Made“ (2014), das als Schleicher beginnt und in einem Inferno endet. Als Zugabe spielten sie John Lennons „Jealous Guy“. Die Folge: Standing Ovations.
Auf der aktuellen Tour reist Jerry Leger mit kleinerem Gepäck und hat auch nur seinen Drummer Kyle Sullivan dabei. Er wird Lieder seines am 24. Oktober erscheinenden neuen Albums „Waves Of Desire“ spielen und nebenbei sein 20-jähriges Karrierejubiläum feiern. In Köln gibt es eine Besonderheit (s. Foto): Suzan Köcher (Gesang) und Julian Müller (Gitarre), die auf der neuen Platte mitwirken, machen das Ganze live zum Bandkonzert.
Jerry Leger | Do 30.10. 20 Uhr | 674FM Konzertraum, Köln | 674.fm/konzerte
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