Stellen Sie sich vor, Sie gehen einkaufen. Sie nehmen Gemüse mit und Nudeln und ein bisschen Weingummi als Nachtisch. Sie bezahlen an der Kasse und nehmen die Sachen mit nach Hause. Wenn Sie die Einkäufe abstellen und anfangen, das Essen für den Abend zuzubereiten, kommt der Clou: Sie haben eingekauft ohne ein einziges Stück Müll mitzunehmen. Keine lästige Folie, mit der die Gurke eingeschweißt ist. Die Spaghetti fallen nicht aus einem Plastikbeutel in den sprudelnden Topf. Und sogar die Süßigkeiten haben Sie in Ihren eigenen Dosen mitgebracht.
Was im Wuppertaler Luisenviertel oder am Alten Markt noch fehlt, ist in Berlin, Bonn und Kiel bereits eine feste Institution bei vielen umweltbewussten Käufern: ein Supermarkt, der komplett auf nicht-recycelbare Verpackungen verzichtet. Dort werden die Lebensmittel entweder in umweltfreundlichen Hüllen wie Einmachgläsern oder Glasflaschen angeboten, oder sie können gleich in eigenen Boxen oder Schalen mitgenommen werden. Das Ziel ist klar: Den Berg von 16 Millionen Tonnen an Verpackungsmüll, der laut Statistischem Bundesamt jährlich produziert wird, Stück für Stück zu verringern.
Der Blick in alle drei Märkte ist ziemlich ähnlich. Während das Gemüse und Obst vertraut in Kisten gelagert ist und gleich mitgenommen werden kann, muss sich der Kunde erst einmal an die anderen Behälter gewöhnen. In großen Röhren, unten mit einer Öffnung zum „selber zapfen“ ausgestattet, werden Bohnen, Cornflakes, Müsli oder Nüsse angeboten. In der Non-Food-Ecke gibt es Shampoo, ebenfalls aus Kanistern oder Fässern, zum Nachfüllen. Entsprechende Boxen, Dosen, Taschen oder Flaschen, um die Einkäufe unfallfrei nach Hause zu kriegen, gibt es ebenfalls im Geschäft.
Kann sich so ein Konzept halten? Gründerin Milena Glimbovski aus Berlin-Kreuzberg glaubt sogar daran, dass sich aus ihrem „Original unverpackt“ getauften Geschäft eine Massenbewegung entwickeln kann: „Die meisten machen sich bevor sie losgehen schon Gedanken darüber, was sie eigentlich brauchen. Ich glaube schon, dass es die Masse anspricht“, sagt Glimbovski im Interview. Für ein breites Interesse spricht der Erlös aus der Crowdfunding-Aktion vor dem Start: 100.000 Euro hat Glimbovski mit ihrer Geschäftspartnerin Sara Wolf von potenziellen Kunden vorab einsammeln können.
Auch in Bonn sind Hilke und Tim Deinet von ihrem „Freikost“-Geschäft überzeugt. „Freikost macht Laune, weil wir unsere Lebensmittel mit allen Sinnen wahrnehmen können, weil rezeptgerechte Einkaufsmengen die Küchenkreativität und -vielfalt fördern, weil Freikost-Lebensmittel nicht mit gesundheitsschädlichen Verpackungsinhaltsstoffen belastet sind, weil wir Verpackungsmüll vermeiden und unsere Umwelt schützen“, fassen sie ihr Konzept zusammen. Momentan sind Sie auf der Suche nach Mitarbeitern – um das gut besuchte Geschäft weiter brummen zu lassen.
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