Der Ausstellungstitel gibt zu denken. Fast stehen sich die Begriffe konträr gegenüber. „Blockbuster“ als populäres, Einnahmen-trächtiges Ausstellungsevent und das „Museum“ mit seinen unspektakulären Aktivitäten, noch dazu hinter den Kulissen scheinen heutzutage immer weiter auseinanderzudriften. Erst recht vor diesem Hintergrund liefert die letzte große Ausstellung von Gerhard Finckh, der als Direktor des Von der Heydt-Museums im Mai in den Ruhestand wechselt, eine differenzierte Bestandsaufnahme aller Aktivitäten seines Teams. Finckh lässt sich und seinen Mitarbeitern über die Schulter schauen und verdeutlicht in einzelnen Kapiteln das „Funktionieren“ eines Museums mit seiner Ausstellungsplanung zwischen schnöder Verwaltung und kreativer Leistung, mit seiner konservatorischen Arbeit, dem praktischen Auf- und Abhängen der Bilder, bis hin zu Fragen der Restitution: der Klärung, ob Kunstwerke als NS-Raubkunst in das Museum gelangt sind.
Finckh hat Schreibtische und Regale in die Ausstellungsräume gestellt und dort Berge an Korrespondenzen ausgebreitet. Diese Transparenz, die ganz außerordentlich ist, geht mit den Meisterwerken aus der Sammlung des Museums noch eine kongeniale Verbindung ein. Die Ausstellung ist eine geglückte Notlösung. Eigentlich hatte Finckh eine Ausstellung „Aufbruch zur Freiheit“ über die Kunst des 18. Jahrhunderts geplant und in Teilen schon vorbereitet. Er hätte damit an seine bundesweit beachteten Ausstellungen zum Impressionismus angeschlossen, wenn ihm der zusammengestutzte kommunale Finanzrahmen nicht einen Strich durch die Rechnung und die Ausstellung unmöglich gemacht hätte. Finckh zeigt nun die Sammlung in ihren verschiedenen Facetten, aber eben mit den Kontexten und Vor- und Nacharbeiten, die das Verständnis der Werke erst ermöglichen. All das sollte man im Kopf behalten, wenn man über das Für und Wider großer und kleiner Ausstellungen und die Höhe des Museumsetats mitreden will.
Bewusst stehen Transportkisten und halb zurückgebaute Stellwände am und im Parcours und versperren bisweilen den Blick auf die Bilder und Skulpturen. Und die haben es in sich: Die wunderbaren mittelalterlichen Skulpturen waren bislang kaum ausgestellt. Bekannt sind hingegen die französischen Impressionisten, sie begründen den Ruhm der Von der Heydt-Sammlung und natürlich lohnt es sich schon für sie, diese lehrreiche Ausstellung zu besuchen. Picasso ist mit verschiedenen Werkperioden vertreten, zugleich verdeutlicht die Ausstellung punktuell, wie die Sammlung weiter in die Gegenwart fortgesetzt wurde. Da ist Francis Bacons „Studie für ein Selbstbildnis“, die seine expressive Kopfdarstellung mit seiner klaustrophobischen Raumkonstruktion verbindet, also typisch für seine Malerei ist. Ebenso charakteristisch ist Gerhard Richters s/w-Verwischung nach einem Magazinfoto. Und dann gibt es eine große Papierarbeit von Neo Rauch als Beispiel für den jüngeren Malerei-Diskurs. Weitere, neu erworbene Bilder sind zeitgleich im Mezzanin-Geschoss ausgestellt, etwa von Driss Ouadahi, Dirk Skreber, Corinne Wasmuht. Also, was „Blockbuster – Museum“ auch lehrt: Das Event ist ohne die stillen Aufgaben des Museums nicht denkbar, zu denen eben das Sammeln und Vermitteln der Bedeutungszusammenhänge gehört.
Blockbuster – Museum | bis auf weiteres | Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31
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