Die Müllverbrennungsanlage in Küllenhahn ist multifunktional: Das Freibad Neuenhof wird über den verheizten Abfall schwimmtauglich temperiert, weshalb man beim Planschen neben Liegewiesen auch Schlot und Mauern im Blick hat. Bis 2030 wollen die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) Elberfelds Innenstadt komplett mit klimafreundlicher Fernwärme versorgen, mit dem praktisch klimaneutralen Müllkraftwerk als Hauptquelle.
Dass der Stromfluss vom Werk Korzert neben den anderen Formen der WSW-Energie durchaus ins Gewicht fällt, wurde 2018 deutlich, als die neue Fernwärmeleitung ins Tal in Betrieb genommen und am selben Tag das Kohlekraftwerk Kabelstraße geschlossen wurde: Nach 120 Jahren war das Kapitel Kohleverstromung beendet. Von hier kam Energie seit dem Jahr 1900, dank Fusion mit dem Kraftwerk Kupferdreh lange konstant beliefert mit dem schwarzen Rohstoff aus den Tiefen des Ruhrpotts. Der freilich schmutzig wie endlich war – anders als die Option von oben, von Küllenhahns Höhen also. Denn Abfall wird es immer geben, und Emissionen fallen bei „thermischer Verwertung biogener Abfallstoffe“ kaum an.
Konkrete Zahlen: Im Jahr 2020 speiste das Müllheizkraftwerk 74.382 Megawattstunden (MWh) ins Stromnetz der WSW ein. Was das bedeutet, erklärt die Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG) so: „Die abgegebene elektrische Energie reicht aus, um mehr als 16.500 Vier-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Dieser Berechnung liegt ein jährlicher Verbrauch von 4.500 Kilowattstunden je Haushalt zugrunde.“
Nach dem Wechsel von Kohle auf Müll vor drei Jahren werden nun die alten Leitungen erneuert, hinzu kommt die Umstellung von Dampf auf Heizwasser, um beim Fluss von Korzert Verluste zu bremsen. Die WSW erklären dazu: „Unser Dampfnetz wird mit 180°C betrieben, und die neuen Nahwärmenetze haben eine Medientemperatur zwischen 90 und 110°C. Die Temperaturdifferenz zwischen Heizmedium und Umgebungstemperatur ist (...) ein großer Einflussfaktor auf die Wärmeverluste.“
Das Müllwerk spielt auch in die Mobilitätssparte der WSW hinein. Strom von hier wird zur Produktion von Wasserstoff per Elektrolyse genutzt – und speist Busse. Im Bus wird der Wasserstoff in einer Brennstoffzelle in Strom für den Elektromotor umgewandelt. Dass ein kommunaler Versorger nicht nur Wasserstoffbusse betreibt, sondern diesen Treibstoff auch selbst erzeugt, gilt als weltweit einmalig. Das Dach solch eines Busses ist etwas erhöht, es enthält den Tank.
Abseits von Abfallnutzung finden sich bei der Stromlieferung weitere Umwelt-Ideen der WSW. Ihr Ökostrom „Tal.Markt“ erlaubt Verbrauchern, sich ihren Energie-Mix selbst zu komponieren. Wind, Wasser, Sonne und anderes stehen zur Wahl, geknüpft an die Garantie, dass davon alles nicht nur aus erneuerbaren, sondern zugleich auch regionalen Energiequellen stammt. Keine garantiert regionale Herkunft gibt es beim Produkt „Strom Grün“, der aber nur fallweise zum Einsatz kommt, wenn es bei den gewünschten Mix-Komponenten einmal hakt.
Auch der Strom zum Normaltarif stammt übrigens zu rund 60 Prozent von Erneuerbaren. In puncto Nachhaltigkeit am spannendsten ist vielleicht besagtes Konzept, aus Unrat Strom und Bus-Treibstoff zu modeln – ein nicht eben alltägliches Abfall-Produkt.
GRÜNE ENERGIE 2030 - Aktiv im Thema
buendnis-buergerenergie.de | Im Bündnis Bürgerenergie versammeln sich regionale Akteure für eine grüne Energieversorgung.
robinwood.de | Die Gewaltfreie Aktionsgemeinschaft Robin Wood kämpft für ökologische und soziale Gerechtigkeit.
germanwatch.org/de/investitionen-energiewende | Forschungsprojekt von Germanwatch zu Chancen und Problemen der Energiewende.
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