Selbst ist die Frau! Mit dieser Botschaft schickte Caroline Vignal schon in ihrem letzten Film Laure Calamy als Lehrerin Antoinette auf eine wilde Trecking-Tour mit Esel quer durch die Cevennen, stets auf den Versen ihres verheirateten Liebhabers, der mit seiner Familie Urlaub machte. Für diese Rolle in der Komödie „Mein Liebhaber, der Esel und ich“ wurde Calamy 2021 mit dem César als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Auf Netflix gehört sie aktuell zum festen Cast der mit dem Emmy Award ausgezeichnete Serie „Call my Agent“. In „It’s Raining Men“ zeigt Calamy erneut ihr komödiantisches Talent. Hier spielt sie die erfolgreiche Zahnärztin Iris, die nicht viel Zeit für ihre Familie hat. Deshalb kümmert sich ihr Mann Stèphane (Vincent Elbaz), der im Home-Office arbeitet, um Kinder, Küche, Haushalt, Elternabende und was sonst noch in einer Familie mit zwei Kindern ansteht. Abends ist der Vorzeige-Gatte völlig erschöpft, oder muss noch kurz etwas Wichtiges in seinen Laptop tippen. Nach Sex ist ihm am Ende des Tages nicht mehr zumute. Iris hingegen möchte auf Leidenschaft nicht verzichten. Als sie von einer Dating-App erfährt, über die man sich unverbindlich mit Männern zum Sex treffen kann, scheint sie die Lösung für ihr Problem gefunden zu haben. Statt durch die Berge des Zentralmassivs schickt Vignal ihre Heldin diesmal auf eine wilde libidinöse Reise durch die Betten der unterschiedlichsten Männertypen. Die angeberischen, die anhänglichen, die erfolgreichen, die Loser, die Poser – Iris, die sich kaum noch vor Angeboten retten kann, lernt sie alle kennen. Ihre Versuche, die Terminplanung in der Praxis mit ihren geheimen Treffen zu koordinieren, inszeniert Vignal fast slapstickhaft. Wie ihre Heldin versucht, zwischen Mundspiegel, Speichelabsauger und Bohrer das immer öfter vibrierende Handy zu ignorieren, während sie am liebsten sofort drangehen würde - das ist wirklich witzig. Und dann fügt Vignal auch noch eine Tanz- Choreografie ein – eine der komischsten Szenen im Film. Vignal kehrt die Mann-Frau-Verhältnisse in dieser Komödie um und zeigt eine emanzipatorische lustvolle Frau, die genau das tut, was Männer immer schon getan haben. Vignal sieht ihren Film als Plädoyer für die Leidenschaft und für die Überwindung von Ängsten.
Der Hund Dog lebt in einem Appartement in New York, hört Platten von den Talking Heads und schaut sich Dauerwerbesendungen an, während er sein mikrowellenerhitztes Makkaroni-Fertiggericht verspeist. Dass er einsam ist, merkt er vor allem, wenn er in die warm erleuchteten Fenster der Nachbarn blickt, wo er die gemütliche Zweisamkeit sieht, die er sich so sehr wünscht. Doch da wird plötzlich eine Werbung für einen Heimroboter eingespielt. Der metallene Freund gegen die Einsamkeit ist sogar erschwinglich. Die Hotline ist schnell kontaktiert und der Roboter bestellt – jetzt heißt es nur noch auf den Paketlieferanten warten, das Paket auspacken und den Roboterbausatz zusammensetzen. Realisiert hat den ungewöhnlichen Animationsfilm „Robot Dreams“ komplett ohne Dialoge der spanische Filmemacher Pablo Berger. Berger hält sich im Großen und Ganzen an die Vorlage von Sara Varon. Allerdings baut er sowohl in die Handlung als auch in die Bilder unzählige Details ein, die das Buch auch als abendfüllenden Langfilm funktionieren lassen. Bergers New York der frühen 1980er Jahre zeigt Rap und Graffiti, Punk und Rollerblades, den Central Park und natürlich Coney Island mit seinem Strand. Der passende Soundtrack dazu fehlt auch nicht (mit u.a. der New Yorker 80er-Indie Pop Band The Feelies). Earth, Wind & Fire leisten mit ihrem Hit „September“ sogar einen entscheidenden erzählerischen Beitrag, der den Roboter „Mechanik tanzen“ lässt. Nicht nur diese Detailverliebtheit macht es möglich, dass der Film ganz ohne Worte die Herzen von kleinen und großen Zuschauer:innen berühren kann – trotz oder gerade wegen der nicht kaschierten Traurigkeit der Protagonisten. Auch die erzählerische Raffinesse, vor allem in den immer wieder überraschenden Traumsequenzen, zeigt durch ein perfektes Timing, dass hier wahre Meister der filmischen Erzählkunst am Werk waren.
Seit über 25 Jahren ist Oskar Roehler als Regisseur tätig und hat sich in dieser Zeit als einer der exzentrischsten und unverwechselbaren Vertreter seiner Zunft in Deutschland einen durchaus zwiespältigen Status erarbeitet. In einem seiner sehenswertesten Filme hat er seinem Regie-Idol Rainer Werner Fassbinder ein emotionales Denkmal gesetzt: „Enfant terrible“ schilderte den Werdegang des auch international erfolgreichen Regisseurs, kongenial verkörpert von Oliver Masucci in der Titelrolle. Masucci hat nun auch wieder die Hauptrolle in „Bad Director“ übernommen, und wer Oskar Roehler schon einmal persönlich erlebt hat, erkennt bereits in der ersten Einstellung, dass dieser Regisseur Gregor niemand anderes ist als das detailgenau eingefangene Zerrbild von Roehler selbst. Die Geschichte geht zurück auf den Roman „Selbstverfickung“ von Roehler, der darin auf sarkastisch-böse Weise mit dem Filmbusiness abrechnet und seinen Frust auf die nicht immer einfachen Arbeitsbedingungen in der Filmbranche zu Papier gebracht hat. „Bad Director“ setzt in Berlin ein, wo Gregor noch bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises erwartet wird, telefonisch aber schon Anweisungen nach Köln übermitteln muss, wo in wenigen Tagen die Dreharbeiten zu seinem neuen Film beginnen werden. Mit viel Biss, Timing und bösen Anspielungen ist Roehlers neuer Film alles andere als eine eitle Nabelschau, sondern vielmehr ein erstaunlich ehrlicher und wahrscheinlich nur wenig überzeichneter Blick hinter die Kulissen der deutschen Filmindustrie.
Außerdem neu in den Kinos in und um Wuppertal: Wes Balls Abenteuersaga-Sequel „Planet der Affen: New Kingdom“, Roger Kumbles RomCom-Sequel „Beautiful Wedding“ und Mark Dindals Kater-Kuddelmuddel „Garfield: Eine Extra Portion Abenteuer“.
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Über irrelevante Systemrelevante
Teil 1: Leitartikel – Wie Politik und Gesellschaft der Gerechtigkeitsfrage ausweichen
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Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24