Jo Beyer, 1991 in Essen geboren und seit 2016 in Köln lebend, ist in der deutschen Jazzszene ein anerkannter Schlagzeuger. Er ist viel unterwegs. Mit eigenen Projekten und als Sideman bereist er viele Länder in Europa und weit darüber hinaus. Auf renommierten Festivals wie denen in Bonn und Burghausen oder dem OCT-Loft in China war er bereits zu Gast. Mit verschiedenen Awards wurde er ausgezeichnet. Als Bandleader hat er 2015 sein Jazzquartett gegründet und kurz, knapp, bündig auf den Namen Jo getauft. In der aktuellen Besetzung ist er nun auf der Insel zu Gast, um seine Lieblingsstücke aus eigener Feder zu vorzustellen.
Magie der Titel
Es sind elf Kompositionen, zu denen er sich von Alltäglichkeiten, Beobachtungen oder Erfahrungen inspirieren ließ. Bei „Der Schwadronierer“ geht es um „allwissende“ Leute, die ihm früher als Nachwuchsmusiker gegenüber nicht mit guten Ratschlägen sparten. „Bei Rosa“ ist sein Schlagwort für eine Pizzeria, bei der er einmal Stammkunde war. Sommerlich geht es bei „Zwischen Bier im Poll und 37 Grad im Schatten“ zu, wobei Poll ein Stadtteil Kölns ist. Für Benutzer der sozialen Medien spricht der Titel „Instastory Hashtag Tourlife“ wohl für sich. „Auf jeder Jam Session gibt es diesen einen Tiger Bongo Latin Crasher“ resultiert aus seinen Erlebnissen bei Jam-Sessions, in deren Verlauf regelmäßig Personen mit Congas auf der Bühne erschienen und dann die Musik ständig Richtung lateinamerikanische Musik abdriftete. Er ist der Meinung, „Halloween ist doof“. Er ist zu der Erkenntnis gekommen, dass sich auf Deutsch synchronisierte US-amerikanische Streifen alle hinsichtlich Aussprache gleich anhören; der Titel „Ach komm schon! Aber so wie es deutsche Synchronsprecher in amerikanischen Filmen sagen“ lag also auf der Hand.
Strukturiert und frei
Die fest notierte Musik mit großen improvisatorischen Freiräumen lebt von Brüchen im Ablauf und besteht aus eingängigen Melodien, kleinen Motivblöcken, vertrackten Harmonien und Rhythmen sowie freitonalen Klängen. Immer wieder blitzt eine gesunde Portion Schalk im Nacken auf, wenn etwa ruhig vor sich dahinfließende musikalische Linien abrupt klanggewaltig zerstört werden. Das musikalische Gefüge entwickelt sich auch über als Klangteppich dienende, sich ständig wiederholende Akkorde.
Heavy perlend
Drei Musiker hat Jo Beyer mitgebracht, die kongenial mit seinen Werken umgehen: Veit Lange (Tenorsaxophon), Felix Elsner (Flügel) und Andreas Wahl (E- und Akustikgitarre). Bestens harmonieren die vier Jazzer miteinander, spielen unisono schnelle komplexe Themen oder beeindrucken durch punktgenaue Einsätze. Für die nötigen Bassfundamente sorgen Tenorsaxophon und Gitarre mit langen tiefen Tönen. Auch die sich kunstfertig entwickelnden Soli lassen keine Wünsche offen: Elsner mit perlenden Läufen und harmonischen Rückungen, Lange mit freien Improvisationen, Wahl mit Anlehnungen an den Heavy Metal und last but not least Beyers variabler dynamischer Umgang mit Schlagzeug und Percussions.
Das Publikum zeigt sich hellauf begeistert ob der streckenweise experimentell anmutenden abwechslungsreichen musikalischen Strukturen mit viel Drive und Esprit. Es applaudiert nach jeder Nummer ausgiebig und erklatscht sich mit „Kalk Post Romantik“ eine Zugabe, die wie ein Wiegenlied daherkommt.
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