Universitätsprofessor Ingwer (stark: Charly Hübner) hat sich für ein Sabbatjahr entschieden, um seine greisen Eltern im friesischen Brinkebüll zu versorgen. Die beiden stehen kurz vor ihrer Gnadenhochzeit, aber Ella (Hildegard Schmahl) ist dement und Sönke (Peter Franke) körperlich beeinträchtigt. Mit der Rückkehr auf den Gasthof der Familie werden Erinnerungen Ingwers an seine Jugend in den 1970er Jahren wieder wach, als er mit den beiden und der geistig verwirrten Marret (Gro Swantje Kohlhof) auf dem platten Land aufwuchs. Er erinnert sich an Tage im Schankraum, Spielen in den Feldern und das komplizierte Personengeflecht in seiner Familie. Eine der Stärken von Lars Jessens Romanverfilmung „Mittagsstunde“ liegt sicherlich in der Tatsache begründet, dass die Geschichte sich vor den Augen seiner Zuschauer nur nach und nach entrollt. Die Atmosphäre, die der Filmemacher erschaffen hat, ist mit der aus Dörte Hansens Romanen weitgehend identisch. Damit geht auch einher, dass nicht alle losen Enden verknüpft, nicht alle Fragen beantwortet werden. Aber gerade das macht auch die Faszination der Geschichte aus. „Mittagsstunde“ benötigt weder dramatische Zuspitzungen noch vordergründige Spannungsmomente, um sein Publikum zu fesseln. Denn das Charakterdrama ist ausgesprochen gut besetzt, und die famosen Darstellerleistungen ziehen einen schnell in die Ereignisse hinein.
Bis heute sind die Franzosen die größten Fans von Rainer Werner Fassbinder, sein glühendster Verehrer ist der Regisseur François Ozon, der ihm schon mit „Tropfen auf heiße Steine“ ein Denkmal gesetzt hatte. Jetzt legt er 50 Jahre später ein raffiniertes Remake des Kammerspiels „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ vor. Ozon vollzieht in seiner Hommage „Peter von Kant“ einen Genderwechsel und versetzt die lesbische Sado-Ménage in die Welt des toxisch veranlagten Fassbinder-Alias Peter von Kant (bravourös: Denis Ménochet). Der Drehbuchautor verfällt heillos dem Jüngling Amir (Khalil Gharbia), einem Wiedergänger von El Hedi ben Salem aus Fassbinders echter Entourage. Isabella Adjani und vor allem die göttliche Hannah Schygulla als Peters Mutter ergänzen mit kraftvollen Auftritten das Kammerstück um Liebe und Verzweiflung.
Außerdem neu in den Kinos in Wuppertal und Umgebung: Torsten Striegnitz' und Simone Dobmeiers Chor-Doku „Unsere Herzen - ein Klang“ und Olivia Wildes Thriller „Don't Worry, Darling“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Hotel Mutti
Die Filmstarts der Woche
Frauen und Favoriten
Opern an Rhein und Ruhr in der Spielzeit 2025/26 – Oper in NRW 07/25
Für eine gerechte Energiewende
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa
Vor der großen Pause
Wuppertaler Kurrende in der Immanuelskirche – Musik 07/25
Abdriften in den Crash
Jazzquartett Jo auf der Insel – Musik 07/25
Was bleibt
Die Natur und wir – Glosse
Ein Bürgergeschenk
Kostenlose Konzerte in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
„Städte wie vor dem Zweiten Weltkrieg“
Teil 1: Interview – Stadtforscher Constantin Alexander über die Gestaltung von Wohngebieten
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Tastenlegende auf Tournee
Herbie Hancock in der Philharmonie Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Singen gegen den Wahn
Elberfelder Mädchenkurrende in der Friedhofskirche – Musik 07/25
Jazzig und persönlich
Singer-Songwriterin Inga Lühning in der Bandfabrik – Musik 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Nach dem Beton
Teil 1: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Chaos
NRW kürzt bei freien Tanzgruppen – Tanz in NRW 07/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Wütende Stimme der Vielen
Deutsche Erstaufführung der Kammeroper „Thumbprint“ im Opernhaus – Bühne 06/24
Mit Wagners „Ring“
Die kommende Spielzeit des Sinfonieorchesters Wuppertal – Musik 06/25
Lebendige Musikgeschichte
Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller in Köln – Klassik am Rhein 06/25
„Kein ausschließlich apokalyptischer Nachklang“
Kuratorin Katja Pfeiffer über „Do worry, be happy“ in der Kunsthalle Barmen – Sammlung 06/25
Der Engel der Geschichte
„Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25