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Foto: Hartmut Sassenhausen

Keine paradiesischen Zustände

29. Mai 2024

Aufführung von Haydns „Die Schöpfung“ enttäuscht – Musik 06/24

Die Konzerte des Sinfonieorchesters Wuppertal mit dem Chor der Konzertgesellschaft und dem Konzertchor Wuppertal sind seit Generationen im Kulturleben fest verwurzelt. Wie andernorts auch, harmonieren also Profimusiker und nicht professionelle Vokalensembles zur allgemeinen Freude klassischer Musikfreunde im Großen Saal der Historischen Stadthalle. Bis zur Ära des Generalmusikdirektors (GMD) Toshiyuki Kamioka ließ es sich kein Wuppertaler Musikchef nehmen, bei den meisten solcher Chorkonzerte am Dirigentenpult zu stehen. Mittlerweile wird delegiert. In dieser und der kommenden Spielzeit überlässt GMD Patrick Hahn diese Veranstaltungsreihe sogar zur Gänze Gastdirigenten, letzte Weihnachten dirigierte zudem der Wuppertaler Chorleiter und Dirigent Thorsten Pech.

Für das letzte Konzert dieser Reihe vor der Sommerpause konnte Howard Arman verpflichtet werden, der Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ mitgebracht hat. Der 1954 in London geborene und dort am Trinity College of Music in die Lehre gegangene Chorleiter genießt einen ausgezeichneten Ruf, hat er doch seit den 1980er Jahren in Deutschland, der Schweiz  und Österreich solch renommierte Chöre wie den Salzburger Bach-Chor, die Rundfunkchöre des NDR, SWR, BR und MDR geleitet bzw. dirigiert. Darüber hinaus war er Chef etwa des Orchesters der Händel-Festspiele, des Luzerner Sinfonieorchesters und der Philharmonie Thüringen. Sein Lebenslauf ist also gespickt mit erstklassigen Referenzen. An diesem Abend wird er jedoch diesem exzellenten Ruf nicht einmal ansatzweise gerecht.

Was alle wissen

Bevor die städtischen Sinfoniker auf der Bühne erscheinen, macht Armans kleine Ansprache über das Werk stutzig. Was sollen etwa die Erläuterungen über den Aufbau des Stücks, dass der Komponist etwa die von Gott geschaffenen Tiere vor den Liedtexten musikalisch charakterisiert? Solche Informationen stehen in gängigen Konzertführern oder können ruckzuck im Internet gefunden werden. Die Musikfreunde wissen darüber längst Bescheid, zumal es sich um ein populäres Werk handelt. Salopp ausgedrückt: Olle Kamellen.

Außerdem ist es nicht vorteilhaft, dass Arman vom Cembalo aus dirigiert. Bei Continuo-Stellen verwendet er nicht immer fehlerfrei das Manual des Instruments und zwar je nach Gusto. So ist es nur konsequent, dass die Musiker aus dem Konzept geraten und diese Passagen ungenau erklingen lassen. Auch lässt sein Dirigat etliche Wünsche offen, weil er unverständlich seine Arme und Hände bewegt. So mangelt es streckenweise an einem synchronen Zusammenspiel. Kurzum: Es klappert oft an allen Ecken und Enden. Des Weiteren achtet er nicht auf einen differenziert-durchhörbaren Gesamtklang, gerade bei lauten Abschnitten ab dem Forte.

Ein großes Lob

So kann sich der von Thorsten Pech vorbereitete und bestens disponierte Konzertchor Wuppertal trotz kultiviert stimmgewaltiger Vorträge gegenüber der orchestralen Klangwucht nicht durchsetzen. Neben den Choristen ist auch ein großes Lob an die drei Gesangssolisten angebracht. Sie können zwar aufgrund der vom Dirigenten vorgegebenen sängerunfreundlichen schnellen Tempi ihre Partien nicht in aller Ruhe seriös gestalten. Doch qua ihrer profunden Gesangstechniken können Sopranistin Dorothea Brandt, Tenor Georg Drake und Bariton Andreas Beinhauer ihre Rezitative, Arien, Duette und Terzette hochanständig über die Bühne bringen.

Fazit: Die Aufführung mutet wie von Arman lieblos durchgepeitscht an. Die Haydn eigene schöne runde, schlanke Musiksprache wird außer Acht gelassen. Es kann also von traumhaft paradiesischen Zuständen als Resultat der Erschaffung der Erde keine Rede sein. Es gibt zwar, wie in Wuppertal alltäglich, stehende Ovationen. Doch der Applaus ist wahrlich nicht enthusiastisch, wirkt eher freundlich als Dank an die Instrumentalisten und alle Sänger für ihr großes Engagement. Sie sind nämlich dafür zuständig, dass die Aufführung von Haydns „Die Schöpfung“ haarscharf an einer Katastrophe vorbeischlittert. In diesem Fall ist es verzeihlich, dass wohl wegen unzureichender Werbung des Veranstalters das Publikum sehr überschaubar ist. Schwamm drüber. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Konzert als Eintagsfliege ruckzuck vergessen wird und somit die traditionsreichen städtischen Chorkonzerte keinen bleibenden Schaden nehmen.

Hartmut Sassenhausen

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