Der Anteil männlicher Lehrer liegt an Schweizer Primarschulen bei 18 Prozent – damit gehört die Schweiz zum europäischen Mittelfeld in puncto Genderbalance. Mit dem Projekt „MaP – Männer an die Primarschulen“ zeigt sich die Schweiz jedoch zukunftsweisend: Durch ein gemeinsames Engagement von Bildungsinstitutionen, Berufsverbänden, Behörden und Beratungsstellen will der Verein Rollenklischees überwinden und eine Trendwende bewirken. Bereits in der KiTa und in der Grundschule sollen Kinder mehr männlichen Vorbildern begegnen.
Warum eigentlich wählen so wenige Männer den Lehrerberuf für die unteren Klassen? Die Vereinsgründer identifizieren mehrere Ursachen: Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist die Arbeit insbesondere mit jüngeren Kindern weiblich konnotiert. Die vergleichsweise geringe Bezahlung mindert das Prestige zusätzlich, und die Arbeitszeiten machen den Beruf traditionell für Frauen interessant, die in der Schweiz noch immer häufig für die Kinderbetreuung zuständig sind. Nicht zuletzt trägt auch der Generalverdacht des Kindermissbrauchs durch Männer zur Scheu vor dem Beruf bei. Aus Sicht des Vereins irreführend sei jedoch die Rede von der „Feminisierung der Schule“ – vielmehr hätten sich Männer aktiv aus den pädagogischen Berufen zurückgezogen.
Dass guter Unterricht keine Frage des Geschlechts ist, haben Untersuchungen längst gezeigt. Die Beweggründe für die Förderung männlicher Pädagogen liegen somit auch weniger in den schulischen Leistungen. Vielmehr geht es dem Verein um Chancengleichheit und Vielfalt. So gewinne das gesamte Schulteam, wenn unterschiedlichste Perspektiven und Erfahrungen vertreten seien. Der hohe Frauenanteil verstärke zudem stereotype Rollenklischees: Kinder lernen, dass Erziehung „weiblich“ ist. Die Erfahrung vielfältiger und bunter „Männlichkeit“ fehlt.
Vier Teilprojekte hat der Verein, der 2014 von Akteuren aus Schulpolitik und -praxis gegründet wurde, bisher realisiert: Interessierte Männer erhalten Schnuppergelegenheiten in die Lehr-Ausbildung und begleiten Primarlehrer oder Pädagogik-Studenten im Alltag. Das Projekt „MENtor“ vernetzt männliche Studierende untereinander und vermittelt männliche Lehrkräfte als Mentoren. Fortbildungen qualifizieren LehrerInnen und BerufsberaterInnen für eine gendersensible Vermittlung von Berufs- und Studienwahlkompetenzen. Weitere Projekte sind in Planung. Finanziell unterstützt wird die Kampagne vom Gleichstellungsbüro des Bundes und von den beteiligten Organisationen wie dem Lehrerverband und den Pädagogischen Hochschulen.
Darüber hinaus, so ist der Verein überzeugt, brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Wandel um das Stereotyp der „unmännlichen“ Arbeit mit Kindern endlich zu überwinden – hier sei auch die Politik gefragt. Was die Maßnahmen langfristig bewirken, wird die Zeit zeigen. In jedem Falle besitzt das Projekt Vorbildcharakter.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
klischee-frei.de | Vom Bundesinstitut für Berufsbildung vertretene Initiative für Geschlechtergerechtigkeit in der Berufswahl.
boys-day.de | Deutlich weniger bekannt als sein Verwandter, der Girls-Day, fokussiert der Boys Day die Aufmerksamkeit auf die Zukunftsförderung von Jungen.
neue-wege-fuer-jungs.de | Das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit aus Bielefeld ist ein Fachportal und Netzwerk, das sich der Berufs- und Lebensplanung von Jungen verschrieben hat.
Benachteiligt? Sind die Männer verrückt geworden?
Sind Jungs die neuen Mädchen? Zukunft jetzt!
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Artgerechte Jungenerziehung
Jungen zwischen liberaler und konservativer Bildungspolitik – THEMA 06/18 VATERLOS
„Schule ist eine feminisierte Institution“
Soziologe Marcel Helbig über Schüler, Schülerinnen und Männer in Lehrberufen
Mehr Jungs in untypische Berufe
Wuppertaler Boys' Day mit über 70 Betrieben – Thema 06/18 Vaterlos
Schluss mit Daddy Cool
Nieder mit dem Väterlichkeitswahn – Thema 06/18 Vaterlos
Stimmen machen Stimmung
Intro – Mundwerk
Hinter vorgehaltener Hand
Freiheit in der smarten Stadt – Teil 1: Leitartikel
„Eine Stadt muss eine Idee haben“
Zukunftsforscher Klaus Burmeister über zukunftsfähige Städte – Teil 1: Interview
Das Tal wird digital
Wuppertal unterwegs zur Smart City – Teil 1: Lokale Initiativen
Gentrifizierung auf Griechisch
Investoreninteressen und staatliche Repression im Athener Stadtteil Exarchia – Teil 2: Leitartikel
„Anonymität ist das, was Großstadt ausmacht“
Soziologe Daniel Kubiak über gesellschaftliche Vielfalt in der Großstadt – Teil 2: Interview
Wieder selbstbestimmt leben
Kölns interkulturelles Zentrum Zurück in die Zukunft e.V. – Teil 2: Lokale Initiativen
Kultur ist für alle da
Von gesellschaftlicher Vielfalt auf und vor den Bühnen – Teil 3: Leitartikel
„Wichtig ist, dass es auch kleine Bühnen gibt“
Kulturwissenschaftlerin Simone Egger über die gesellschaftliche Rolle von Kunst und Kultur – Teil 3: Interview
Protest und Marketing
Florian Deckers erforscht Graffiti im öffentlichen Raum – Teil 3: Lokale Initiativen
Digitale Bedürfnisse
Das Konzept Smart City – Europa-Vorbild: Finnland
Freiheitskampf zwischen LEDs
Widerstand in einer fast wirklichen Welt – Glosse
Einbahnstraße, bitte wenden!
Intro – Verkehrswege
Bike Bike Baby
Freie Fahrt fürs Fahrrad – Teil 1: Leitartikel
„Alle wollen jetzt Radverkehrskonzepte“
Verkehrsexperte Peter Gwiasda über Radfahren in und außerhalb der Stadt – Teil 1: Interview
Angstfreie Radwege
Aus der Arbeit von Fahrradstadt Wuppertal e.V. – Teil 1: Lokale Initiativen
Mercedes oder per pedes?
Lob des Zufußgehens – Teil 2: Leitartikel
„Warum sollten Fußgänger auf Autos Rücksicht nehmen?“
Stadtplaner Helge Hillnhütter über gute Fußwege – Teil 2: Interview
Für die Rechte der Fußgänger
Kölns Initiative Fuss e.V. – Teil 2: Lokale Initiativen
Vorwärts nimmer, rückwärts immer
Verkehrswende in die Vergangenheit mit der FDP – Teil 3: Leitartikel
„Es ist absurd, zu meinen, das Auto wäre alternativlos“
Architekt Philipp Oswalt über die Verkehrswende im ländlichen Raum – Teil 3: Interview