Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20

12.580 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Jankel Adler, Liegende, 1945, Gouache, 29,4 x 46,1 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal
Foto: © Museum

Seine Figuren erzählen keine Geschichten

01. August 2022

„Metamorphosen des Körpers“ im Von der Heydt-Museum
 – kunst & gut 08/22

Auf einem frühen Selbstbildnis von 1924, eigentlich fein in Öl auf Leinwand, fallen zwei helle Streifen auf, die aus der Form des Porträts herausfallen: einer halbiert die Stirn, der andere wechselt das Medium und zeigt die Zeichnung unter der Farbe. Nach zwei Jahren ist Jankel Adler wieder im Wuppertaler Von der Heydt-Museum zu sehen, jetzt befragt man dort sein grafisches Werk – ohne ein paar Gemälde geht das natürlich nicht – auch berühmte Weggefährten und Zeitgenossen sind wieder zu sehen.

Von der Heydt-Museum
Foto: © Museum
DAS MUSEUM: Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal wurde 1902 als Städtisches Museum Elberfeld gegründet. Zu seiner heutigen Sammlung gehören unter anderem Werke von Otto Dix, Pablo Picasso, Claude Monet und Francis Bacon. Museumsdirektor ist Dr. Roland Mönig.

Die Ursache: das Haus hat inzwischen mehr als 500 Grafiken und vier Gemälde aus dem Nachlass des 1895 in Polen geborenen jüdischen Künstlers, der 1949 im britischen Exil starb, in der Hauptsache auf dem deutschen Kunstmarkt erstanden, wo die Arbeiten von seiner Tochter Nina (1927-1991) belassen wurden, während sie das Archiv des arrivierten Kunstschaffenden bereits dem Museum vermacht hatte. Jankel Adler studierte in Wuppertal, weil seine Schwester dort wohnte, er wurde Teil der Kölner Avantgarde um Mutter Ey und floh 1933 vor den Nazis nach Paris, dann nach London. Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal besitzt jetzt ein großen Anteil am recht unübersichtlichen Nachlass.

In „Metamorphosen des Körpers“ zeigt die Ausstellung auch, wie nah Adler einst den neuesten Impulsen seiner Zeit gewesen ist, wie er mit berühmten Künstlerkollegen auf Augenhöhe arbeitete und eigene Anstöße formulierte. Raum zwei („Im Atelier des Künstlers“) zeigt diese Suche nach der neuen Formensprache, akademische Körperstudien wohin das Auge schaut, doch schon bei den ersten Arbeiten werden „freche“ Dekonstruktionen von Proportionen und Gliedmaßen sichtbar. Seine Figuren erzählen keine Geschichten, seine Protagonisten sind die Erzählung selbst, in Haltung und Pose. Ohne Leidenschaft blicken sie oft den Betrachter selbst an.

Explizit jüdische Themen machten ihn bereits vor dem Krieg zu einem Solitär in der Szene, auf der britischen Insel entwickelten sich seine Figuren weiter, Formen und Proportionen lösten sich immer weiter auf, kubistische Tendenzen gewannen Raum, seine jüdischen Themen verfolgte er im Exil weiter. In Wuppertal kann man sein grafisches Arbeiten mit Picasso-Lithos aus den 1940ern vergleichen, dessen „Sitzende Frau und Schläferin“ (1947) oder auch Ernst Wilhelm Nays „Mädchenkopf“ (1946) bearbeiteten die gleichen malerischen Mechanismen der damals „modernen“ Gestaltung.

Jankel Adler, Stehende mit Obstschale, um 1943, Aquarell, 47,3 x 31,1 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto: © Museum

Zwei Bildhauerarbeiten aus den späten 1950ern von Jacques Lipchitz und Lynn Chadwick (Bestand Von der Heydt-Museum) lockern die Blickachsen im Raum geschickt auf, bevor man doch zu einem malerischen Highlight der Ausstellung gelangt. Adlers großes Gemälde von „Else Lasker-Schüler“ (Öl auf Leinwand, 1924), das das Museum 1986 für Wuppertal wieder erwerben konnte, nachdem es in der NS-Zeit beim Kunstverein Barmen beschlagnahmt und wohl zu Devisen wurde. Mit Lasker-Schüler verband ihn eine enge Freundschaft, sie nannte ihn einmal einen „hebräischen Rembrandt“. Ob damit die belebten Szenerien oder die ungewöhnlichen Metamorphosen der Körper gemeint waren, wer weiß das schon? Prinz Yussuf ließ sicher grüßen.

Metamorphosen des Körpers | bis 28.8. | Von der Heydt-Museum | 0202 563 62 31

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Transformers One

Lesen Sie dazu auch:

Schlüsselgestalt der Avantgarde
Lucio Fontana im von der Heydt Museum

„Es geht bei ihm ja immer um Löcher und Schnitte“
Direktor Roland Mönig über „Lucio Fontana: Erwartung“ im Von der Heydt-Museum – Sammlung 10/24

Blick auf die Wände
Schaudepot für die Gemälde im Vdh-Museum

Nicht nichts
100 Jahre Abstraktion im Wuppertaler Von der Heydt-Museum – kunst & gut 06/24

Mit fremden Federn
Lothar Baumgarten im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 05/24

„Er hat sehr feinsinnige Arbeiten erschaffen“
Kunsthistorikerin Anna Storm über die Ausstellung zu Lothar Baumgarten im VdH-Museum – Interview 03/24

Unergründliche Dingwelt
Erinna König im Wuppertaler Von der Heydt-Museum – kunst & gut 01/24

„Abstrakte Kunst ist keine Reproduktion der Wirklichkeit“
Kuratorin Beate Eickhoff über „Nicht viel zu sehen“ im VdH-Museum – Interview 01/24

Großmeister im Dialog
Picasso und Beckmann im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 11/23

„Picasso und Beckmann standen im Zentrum der Debatte über Malerei“
Direktor Roland Mönig über die neue Ausstellung im Von der Heydt-Museum – Sammlung 09/23

Bella Figura
„Figur!“ im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 07/23

Poetische Energie
Franziska Holstein im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 05/23

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!