Im Altbau des Rathauses, erste Etage, gibt es in diesem Jahr Jubiläen zu feiern. Das Gleichstellungsbüro wird 30 Jahre alt, und dessen Leiterin Roswitha Bocklage ist bald seit zehn Jahren im Amt. Das Büro ist für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Verwaltung sowie in ganz Wuppertal zuständig. Dazu gehört nicht nur die Organisation von Veranstaltungen wie Girl’s Day (23. April) oder Frauengesundheitstag (28./29. Februar, VHS, Auer Schulstraße), sondern auch, Denkstrukturen zu ändern. „Es hat sich einiges verändert. Ich habe den Eindruck, dass uns die Türen mittlerweile offen stehen und es wertgeschätzt wird, wenn wir uns äußern. Das war nicht immer so“, sagt Roswitha Bocklage über die Lage.
Heutzutage ist es glücklicherweise nicht mehr nötig, dass sie bei allen Bewerbungsgesprächen dabei ist, um darauf zu achten, dass die Einstellung nicht aufgrund des Geschlechts geschieht. Viel nachzuholen gebe es in den technisch-handwerklichen Berufen und, ganz wichtig, bei den Führungspositionen. Dort sind Frauen extrem unterrepräsentiert. Bei den Dezernaten der Stadt, dem höchsten Verwaltungsposten nach dem Oberbürgermeister, steht die Null – keine einzige Frau bekleidet dieses Amt. Dafür gibt es gut ein Drittel Ressortleiterinnen (2000: 17 Prozent). Trotzdem ist die Quote gering, wenn man bedenkt, dass 59 Prozent der Beschäftigten der Stadtverwaltung weiblich sind.
Es gebe auch nach wie vor Momente, in denen sich Roswitha Bocklage in frühere Zeiten versetzt fühlt. Dann, wenn grundlegende Dinge, die Frauen betreffen, nicht von vornherein mitgedacht werden. „Dann müssen wir als Korrektiv wirken, und das kostet Zeit“, sagt sie. Dafür schiebt das Gleichstellungsbüro momentan viele strukturbezogene Projekte an. Zum Beispiel die Zertifizierung der Hertie-Stiftung, nach der Dreijahresziele für die Vereinbarung von Familie und Beruf abgesteckt und eingehalten werden müssen. Oder der Beitritt zur EU-Charta zur Gleichstellung von Frau und Mann, die ebenfalls Aktionspläne erfordert.
Helfen könnte eine größere statistische Erfassung. So unglaublich das klingt, aber auch 2015 ist noch nicht statistisch festgehalten, wie viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung zurzeit in Elternzeit sind. Oder wie viele Frauen im Bergischen Land in Führungspositionen arbeiten.
Daran arbeitet Roswitha Bocklage, unter anderem mit dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf „Competentia“, das sie ebenfalls leitet. Das Zentrum entstand durch eine Initiative des Landes und schließt im Bergischen Wuppertal, Solingen und Remscheid ein. Speziell für das Thema der fehlenden weiblichen Führungskräfte sei jetzt die Zeit für Competentia, gegenzusteuern, sagt Roswitha Bocklage: „In Zukunft wird es viele Generationenwechsel bei Unternehmen geben. Dann kann sich viel ändern“, sagt sie. Das vermeintliche Risiko, dass eine Frau in Führung Kinder bekommen könnte, müsse raus aus den Köpfen der Entscheider.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Problemzone Frauenkörper
Frauen können selbst entscheiden, was sie anziehen – ob Bikini oder Burkini – THEMA 10/16 FRAUENRECHT
Kopftuch-Polizei
Nach London nun auch schottische Polizei mit Hijab als Teil der Uniform – Thema 10/16 Frauenrecht
„Religionen sind frauenfeindlich“
Mina Ahadi über Kopftuch, Burka und andere religiöse Machtsymbole – Thema 10/16 Frauenrecht
Unter Schwestern
Die Wuppertaler Soroptimisten engagieren sich in drei Clubs – Thema 10/16 Frauenrecht
Wegweiserinnen
Stadtführung „Frauensache“ zeichnet am 10.7. das Leben fünf berühmter Wuppertalerinnen nach
Weiberwirtschaft
Weniger Testosteron, nachhaltigere Entscheidungen – THEMA 03/16 FRAUENLEBEN
„Nachfolge ist weiblich“
Iris Kronenbitter von der bga über Gründerinnen – Thema 03/16 Frauenleben
Re- und Upcycling
Gründerin Navina Binkenborn verkauft über ihr Label Edda Mör nachhaltige Mode – Thema 03/16 Frauenleben
Widerstand vernetzen
Griechische FeministInnen kämpfen off- und online für die Gleichberechtigung – Thema 03/16 Frauenleben
Die Verbrechen der Freunde
Die Aufdeckung der Massenvergewaltigungen des 2. Weltkrieges verändert unser Geschichtsbild – Textwelten 06/15
Utopien sind gut
Laurie Pennys feministisches Manifest „Unsagbare Dinge“ fordert mehr Gerechtigkeit für alle Geschlechter
Rastlos bleiben
Frauen kämpfen immer noch um Gleichberechtigung im Beruf – THEMA 03/15 FRAUENMENSCHEN
Kli Kla Klacks
Intro – Genug für alle
Die Mär vom Kostenhammer
Teil 1: Leitartikel – Das Rentensystem wackelt, weil sich ganze Gruppen der solidarischen Vorsorge entziehen
„Die gesetzliche Rente wird von interessierter Seite schlechtgeredet“
Teil 1: Interview – VdK-Präsidentin Verena Bentele über eine Stärkung des Rentensystems
Der Kitt einer Gesellschaft
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Landesverband des Paritätischen in Wuppertal
Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 2: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
„Je größer das Vermögen, desto geringer der Steuersatz“
Teil 2: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Gegen die Vermüllung der Stadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Umweltschutz-Initiative drängt auf Umsetzung der Einweg-Verpackungssteuer
Gleiches Recht für alle!
Teil 3: Leitartikel – Aufruhr von oben im Sozialstaat
„Eine neue Ungleichheitsachse“
Teil 3: Interview – Soziologe Martin Heidenreich über Ungleichheit in Deutschland
Klassenkampf im Quartier
Teil 3: Lokale Initiativen – Bochums Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Stahlhausen
Der Staat will zuhören
Wandel im niederländischen Sozialsystem – Europa-Vorbild: Niederlande
Armutszeugnis im Reichtum …
… und alternative Fakten im Wirtschaftssystem – Glosse
Konflikt-Kanzler
Intro – Friedenswissen