Wenn in einem Werk Luigi Nonos ein dumpfer, trockener Schlag aus der Perkussion erklingt, kann der italienische Meisterkomponist, der vor 25 Jahren seinen Tod in Venedig fand, an eine anstoßende Barke gedacht haben. In „Prometeo“ versucht er einen Entwurf für eine „Tragödie des Hörens“, mit imposanten raumgestalterischen Novitäten.
Wenn sich in Richard Wagners Orchestersatz Wellen kräuseln und die Rheintöchter umspielen, dann assoziiert der Hörer mehr als ein barockes Tongemälde: Hier schwebt auch väterlicher Schutz und Wärme mit, die komplexe Klangwelt des Vater Rhein tritt vor das innere Auge. Musik wird zudem Handlungsträger.
„Prometeo“ und „Rheingold“ bilden die zentralen musikalischen Großprojekte der Ruhrtriennale im September. Der niederländische Intendant Johan Simons sucht nach revolutionärem Zündstoff in den Schlüsselwerken der Musikgeschichte. Eine Kostprobe gab bereits die Studie zu Monteverdis Oper „Orfeo“, eine der ersten Opern überhaupt, bei der allerdings den Besuchern die radikale Verweigerung der wunderschönen Musik am nachhaltigsten in Erinnerung blieb. Beim Rheingold legt der Intendant als Regisseur selbst Hand an, er glaubt sogar, das Stück sei direkt für das Ruhrgebiet geschrieben. Simons: „Der Rhein ist eine horizontale Linie, das Gold ist eine vertikale Linie. Und im Ruhrgebiet nennt man die Kohle auch schwarzes Gold.“
Simons ist alles andere als ein Wagnerianer, aber er sucht den grimmigen und politischen, zeitweise steckbrieflich gesuchten und verfolgten Komponisten in dieser Musik. Und er wird Wagners Text und Musik nicht unkommentiert lassen, das verrät der Besetzungszettel: Der finnische Elektronikguru Mika Vainio wird sich mit eigenen Sounds zwischen Wagners Musik drängen.
Auch mit der Wahl des musikalischen Leiters greift Simons nach Extravagantem: Schon vor Jahren erzählte mir die Barock-Diva Simone Kermes mit großen Augen von einem besonderen Ort im Ural, wo klassische Musik einer magischen Frischzellenkur unterzogen würde. Der griechischstämmige Dirigent Teodor Currentzis, mittlerweile Echo-Preisträger, gibt hier und jetzt sein Wagner-Debüt mit seinem eigenen Orchester MusicAeterna, mit dem er vom russischen Perm aus die Welt eroberte.
Ein erstklassiger Stratege steht beim Nono-Projekt am Pult: Ingo Metzmacher hat sich über die Neue Musik seinen Weg in die Weltklasse der Dirigenten gebahnt. Er hat die Ruhe weg und behält die Übersicht, ein Muss bei dem aufwendigen Spektakel von Nonos letztem großen musiktheatralischen Werk „Prometeo“. Der Neutöner reflektierte hier über einen denkwürdigen Satz, den er in einem Kloster las: „Wanderer, es gibt keine Wege, es gibt nur das Gehen.“ Vier Orchester, Chor und Solisten werden elektronisch neu angemischt für ein Publikum, dass vor zehn Jahren in Köln geradezu süchtig war nach diesem fragilen und selten zu erlebenden Stoff.
„Prometeo“ | 8., 11., 12.9. 19.30 Uhr, 13.9. 16 Uhr | Landschaftspark Duisburg Kraftzentrale
„Rheingold“ | 12., 16., 18., 22., 24.9. 18.30 Uhr, 20., 26.9. 15 Uhr | Jahrhunderthalle Bochum
Info: www.ruhrtriennale.de
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