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Sangmin Jeon und Joy Bogart, mit Immanuel Karle (l.) und Torsten Krug (Hintergrund)
Foto: Hartmut Sassenhausen

Unverkennbar perfekt

26. Juni 2024

„Songs & Arien“ auf der Insel – Musik 06/24

Der Name der Konzertreihe „Songs & Arien“ ist Programm. Denn in diesem Rahmen treffen sich je ein Sänger der Sparte Unterhaltungsmusik und der klassischen ernsten Musik. Es prallen also Gegensätze aufeinander, unterscheiden sich doch die Gesangstechniken dieser beiden Bereiche stark. Ein Beispiel dafür bieten kurz vor der Sommerpausen auf der Insel Joy Bogart und Sangmin Jeon.

Einmalige Stimmen

Joy Bogart ist in der Popularmusik zu Hause. Sie benötigt für ihre Vorträge ein Mikrofon, um ihre musikalischen und für sie wichtigen Ansichten zu vermitteln. Wie in der gesamten Rock-Pop-Szene sind nämlich individuelle, unverwechselbare gesangliche Eigenheiten wichtig wie kratzige, schrille, nasale oder weiche Stimmen. Man kann sofort die Personen beim Hören wiedererkennen. Deutsche Sänger wie Herbert Grönemeyer, Nena oder Helene Fischer sind Paradebeispiele. Unsaubere Intonation, Kraft der Stimme oder gesangliches Durchschnittsniveau sind nebensächlich. Alles ist erlaubt an rauchigem Soul, markantem Rock wie gehauchtem Schmelz. Hauptsache ist, dass es ein schlüssiges Erscheinungsbild aus Sound, Songwriting, Story und Erscheinungsbild gibt. Anhand von „Backwards“, „Milk And Honey“, „Raise My Glass“ und „Everything At Once“ aus ihrem Album „Fabric On Dreams“ und „Slowly“ präsentiert Joy Bogart am Synthesizer in englischer Sprache ihre charakteristische klare softe Stimme, deren Musikstil unter anderem aus einer Mischung von Rhythm and Blues, Indie und Soul besteht.

Vollendete Stimmen

Sangmin Jeon verfügt dagegen über eine ausgebildete klassische Tenorstimme, mit der er locker ohne Verstärkung große Säle beschallen kann. In diesem Fach sieht es ganz anders aus. Hier geht es um eine ebenmäßige, in allen Belangen intonationsreine Stimme, bei der fließende Registerübergänge wichtig sind. Klangästhetische Perfektion ist das Ziel. Um sie zu erreichen, ist ein leichter Umgang mit Projektion, Leichtigkeit, Kraft und Virtuosität zwingend erforderlich. Natürlich gibt es deutliche Unterschiede hinsichtlich Stimmfächer, Farbgebung und Phrasierung. Doch stimmliche Individualität ist irrelevant. Dagegen sind Volumen, Klarheit und Kontrolle maßgeblich. Anhand der populären Arien „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“, die Lensky-Arie aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“, „Lucevan le stelle“ aus Giacomo Puccinis Oper „Tosca“, „La fleur que tu m’avais jetée“ aus George Bizets Oper „Carmen“ und dem Richard-Strauss-Lied „Morgen“ demonstriert er perfekt, strahlend und ausdrucksstark diese Eigenschaften.

Stimmen finden

Zwischendurch stehen die beiden Sänger Torsten Krug vom Insel-Verein Rede und Antwort. Wie ihre gesanglichen Eigenschaften ist auch ihr beruflicher Werdegang unterschiedlich. Um den aus Südkorea stammenden Jeon war es geschehen, als ihm einmal eine Arie vorgesungen wurde. „Das will ich auch“, sagte er zu sich, zumal er davon überzeugt war, es besser zu können. Bogat ist von Kindesbeinen an mit Musik konfrontiert, unter anderem beeinflusst von ihren älteren Schwestern. So war auch ihre Laufbahn vorgezeichnet. Steht sie gerne auf Konzertbühnen, um musikalisch ihre Anliegen kundzutun, fühlt sich dagegen Jeon als Interpret von Opernrollen viel wohler. Denn er ist laut eigener Worte ein eher schüchterner Mensch, der dadurch nicht seine Person darzustellen braucht, stattdessen darstellerisch und gesanglich in andere Rollen schlüpfen kann. Man erzählt ein wenig von sich und den eigenen Gefühlswelten. So betont die Sopranistin, ein weicher, grundoptimistischer Mensch zu sein. Jeon achtet sehr auf seinen Körper, trinkt überhaupt keinen Alkohol.

Stimmwechsel

Zum Konzept der Reihe, die in Kooperation von Insel und der Wuppertaler Oper stattfindet, gehört auch der Auftritt mit vertauschten Rollen. Hier wird deutlich, dass ein Fachwechsel nicht ruckzuck einwandfrei und glaubhaft klappt. Jeon covert einen Song Bogats, lässt seine voluminöse Stimme außer Acht, greift stattdessen zum Mikrofon und trägt den Text in seiner Muttersprache vor, um sich wohler zu fühlen. Er singt rundum schön, intonationsrein, gestaltet ausgewogen die musikalischen Linien. Doch, wie auch seiner Körpersprache zu entnehmen ist, scheint diese Technik nicht unbedingt seine Welt zu sein. Bogat versucht erst gar nicht, das bereits erwähnte Strauss-Lied klassisch über die Bühne zu bringen. Sie bleibt bei ihrem Stil, macht aus diesem Stück einen Popsong, den sie gefühlvoll vorträgt. Zu guter Letzt stehen beide vor dem Flügel, an dem Korrepetitor Immanuel Karle von der Wuppertaler Oper sitzt. Er begleitet Jeon und zum Schluss das Duo während des gesamten Verlaufs sehr sensibel und mitatmend. Der Oldie „Both Sides, Now“ aus der Feder der legendären kanadischen Singer-Songwriterin Joni Mitchell tragen beide über Mikrofone ausdruckstark vor, wobei nur der erste Einsatz Bogats etwas zu unsauber gegenüber Jeons reinem Gesang wirkt. Das Publikum zeigt sich begeistert und spendet lang anhaltenden Schlussapplaus.

Hartmut Sassenhausen

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