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v.l.: Marc Danel, Florence Millet, Gilles Millet, Vlad Bogdanas, Yovan Markovitch
Foto: Hartmut Sassenhausen

Trauer in Dur

07. Mai 2025

Streichquartett Quatuor Danel in der Immanuelskirche – Musik 05/25

Vielleicht will man es nicht wahrhaben. Doch spätestens dann, wenn es immer einsamer um einen wird, weil wegen zunehmender Todesfälle der Bekannten-, Freundes-und Familienkreis immer kleiner wird, ist Schluss mit Selbsttäuschung. Man ist nicht mehr der Jüngste. Auch Dmitri Schostakowitsch war sich dessen bewusst, als der 67-Jährige im Frühling 1973 an seinem 14. Streichquartett saß. Er war eng mit dem Beethoven-Quartett verbunden, das abgesehen vom ersten und letzten sämtliche seiner Streichquartette uraufführte. Der Zweite Geiger, Wassili Schirinski, starb 1965, der Bratscher Wadim Borissowski 1972. Der Komponist trauert. So setzt er sich in diesem dreisätzigen Werk mit seinen Zwölftonreihen, in Fis-Dur notiert, durchweg mit Sterben und Tod auseinander.

Den Freunden

Im ersten Satz erklingt zwar zunächst ein fröhlich-lebhaftes kleines Thema. Doch im weiteren Verlauf gibt es zum dominanten Cello dissonante Akkordausbrüche, bis gegen Ende ein tiefer Seufzer kommt. Der Binnensatz besteht aus qualvoller Trauermusik und ist formal eine Chaconne (ähnlich einer, doch nicht so streng wie eine Passacaglia) mit einem Thema von zwölf Takten, das zwölfmal variiert erscheint. Das finale Allegretto ist melancholisch wie dramatisch gehalten mit wachsender Resignation, das schließlich morendo (dahinsterbend) ausklingt. Und sehr oft stehen die Primgeige und das Cello im Vordergrund, während die zweite Geige und Bratsche schweigen. Damit bringt Schostakowitsch den Tod seiner beiden Freunde zum Ausdruck.

Dieses Opus 142, das dem Cellisten Sergei Schirinski gewidmet ist, bringt das Quatuor Danel mit in die Immanuelskirche und sorgt für einen erstklassigen Kammermusikabend. Das Quartett wurde 1991 gegründet und spielt seit 2005 in unveränderter Besetzung mit Marc Danel (1. Geige), Gilles Millet (2. Geige), Vlad Bogdanas (Bratsche) und Yovan Markovitch (Cello). Es gehört zu den Spitzenensembles seiner Art und ist weltweit auf bedeutenden Konzertpodien zu Hause. Auch die Ehrerweisungen an den Widmungsträger, die in der Partitur notiert sind, werden exzellent dargestellt. Zum einen werden in den Takten zwei bis sieben des dritten Satzes die Noten Dis, E, D, E, G und A pizzicato gespielt. Sie stellen ein Kryptogramm für Serjoscha (die Noten richtig gelesen: Se-re-yo-zh-a) dar. Der Name ist die liebevolle Bezeichnung für Sergej. Zum anderen wird in diesem Satz Katerinas Arie „Serjoscha, khoroschij moj“ (Serjoscha, mein Liebling) aus dem vierten Akt der Schostakowitsch-Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ vom Cello zitiert. Außerdem spielt dieses Instrument in allen drei Sätzen eine tragende Rolle. Cellist Yovan Markovitch wird diesen hohen Anforderungen voll gerecht, brilliert mit einem virtuosen wie emotionalen Spiel. Diesen hohen Qualitäten steht Primgeiger Marc Danel in nichts nach.

Gast am Klavier

Nur zuvor, eingangs bei Franz Schuberts Quartettsatz in c-Moll, D 703, scheint das berühmte Ensemble nicht ganz bei der Sache zu sein, wird doch die Exposition unsauber zu Gehör gebracht. Aber ab der Wiederholung dieses Anfangs haben sich die vier Musiker gefangen.

Schließich gesellt sich bei Robert Schumanns Klavierquintett in Es-Dur Pianistin Florence Millet hinzu. Die Klavierprofessorin und geschäftsführende Direktorin des Wuppertaler Standorts der Kölner Hochschule für Musik und Tanz hat sichtlich und hörbar viel Freude, mit dem Quartett zusammenzuspielen, integriert sich in das Spiel. Vom triumphalen und schwärmerischen Beginn über den aufgewühlt gespielten Trauermarsch mit lyrischer Unterbrechung, dem mit forscher Tongebung intonierten Scherzo bis hin zur außerordentlich differenziert vorgetragenen Doppelfuge gegen Ende des Finalsatzes kommt dieses Opus 44 packend von der Bühne.

Seltenes Vergnügen

Das zahlreich erschienene Publikum zeigt sich schließlich zu Recht begeistert und spendet ausgiebig frenetischen Beifall. Dafür bedankt sich das Quintett mit einem Abschnitt aus Schumanns Finalsatz als Zugabe.

Lang ist es her, dass sich in Wuppertal renommierte Kammermusikensembles regelmäßig die Klinke in die Hand gaben. Damit war vorerst Schluss, als die Konzertgesellschaft Wuppertal ihre Tätigkeit als Konzertveranstalter einstellt. Später war es Detlef Muthmann, der die Kammermusikreihe „Saitenspiel“ ins Leben rief, finanzierte und weltberühmte Formationen engagierte. Als er im Dezember 2020 verstarb, gab es diesen über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gewordenen Zyklus nicht mehr. Seitdem finden hier nur noch äußerst selten exquisite Kammerkonzerte statt. So ist es Peter Fülling hoch anzurechnen, der diesen hochwertigen Abend möglich machte.

Hartmut Sassenhausen

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