Zum Ausklang der Reihe „Jazzfoyer“ dieser Spielzeit sind drei Jazzmusiker ins Kronleuchterfoyer des Opernhauses gekommen, die man mit Fug und Recht als alte Hasen bezeichnen kann. Der erste heißt Axel Fischbacher, Jahrgang 1956. An über 50 Alben ist der Gitarrist bisher beteiligt gewesen. Er tourte mit der renommierten Christoph Spendel Group und arbeitete mit bekannten Musikern wie Tony Lakatos, Curt Cress oder Kurt Billker zusammen. Zweiter im Bunde ist Nico Brandenburg, 1970 in Düsseldorf auf die Welt gekommen. Der Bassist ist Dozent an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf und musizierte mit der WDR Big Band, Udo Lindenberg oder Bob Mintzer. Last, but not least ist es Bruno Castellucci, mittlerweile 81 Jahre alt. Die Liste des belgischen Schlagzeugers italienischer Abstammung an legendären Kollegen, die ihm zur Seite standen, ist ellenlang: Charlie Mariano, Joe Zawinul, Chet Baker, Jaco Pastorius, Quincy Jones und und und. Dieses Trio nennt sich dem Bandleader gemäß Axel Fischbacher Trio. „The London Session“ hat es den Abend betitelt.
Ehrwürdige Aufnahmetechnik
Genauso heißt auch Fischbachers jüngstes Trio-Album, eine in dem legendären Abbey Road Studio in London aufgenommene „Direct to Disc“-LP. Es handelt sich um eine Aufnahmetechnik, bei der die Tonsignale ohne Umweg auf eine Lack- oder Kupferfolie geschnitten werden. Solch einer Schneidemaschine kann als ein umgekehrter Plattenspieler bezeichnet werden, der keine Tonsignale abtastet, sondern die Rillen in die spätere Abtastung schneidet. Das ist das sogenannte Master, womit anschließend Vinyl-Scheiben hergestellt werden. Die Ursprünge solch einer Methode gehen auf das Ende der 1880er Jahre zurück, als erstmalig Schellack-Platten über ein Grammophon geschnitten wurden. Es gibt aber schon lange auch andere, kostengünstigere Praktiken. Im analogen Zeitalter wurde direkt ohne anschließende Schnitte auf „Schnürsenkel“, ein Stereotonband, aufgenommen. Heute sind es Festplatten. Auch hier gilt: Geht bei solchen Live-Produktionen etwas schief, muss von vorne begonnen werden. Apropos Digitalzeitalter: Für die umfangreichen professionellen Musikbearbeitungsprogramme, kurz „DAW“ für „Digital Audio Workstation“ gibt es kleine Software-Erweiterungen, sogenannte Plug-ins, die täuschend echt analoge Sounds kreieren.
Lob für den Schlagzeuger
Fast alle Stücke aus „The London Session“ werden präsentiert: „Habakuk“, „Hallo Till“, „Like A Blackbirds Heart“, „Lobby Call“, „Mexicab Taxi”. Ein Walzer und ein Blues gesellen sich hinzu. Diese Kompositionen stammen aus Fischbachers Feder. Auch einen Standard hat das Trio mitgebracht: „There Will Never Be Another You“ aus dem Jahr 1842, die Musik kommt von Harry Warren. Auf der ausverkauften LP „Bebop Sketches“ hat Fischbacher seine Version dokumentiert.
Wie eingespielt
Fischbacher und Brandenburg spielen schon länger zusammen. Für Castellucci ist diese Formation eine Premiere. Der Bandleader lobt sogar den Drummer ausdrücklich insofern, weil er die Noten erst jetzt zum ersten Mal sehe. Doch der Geehrte widerspricht umgehend. Ist doch klar: „Prima vista“, also Kompositionen auf den ersten Blick, ohne vorherige Vorbereitung oder Proben, zu spielen, gebührt sich auch für ausgebuffte Profis nicht. Trotzdem harmonieren die drei Musiker wie ein eingespieltes Team. Die balladesken und im Stil des Hardbop gehaltenen Stücke kommen wie aus einem Guss daher. Nach Fischbachers Solo-Eröffnungen setzen seine beiden Kollegen mit viel Spielwitz ein. Brandenburgs Kontrabass groovt, Fischbachers E-Gitarre sorgt für flexible Harmonien und flinke Tonfolgen. Trommeln und Becken des Schlagzeugers sorgen für Drive und bei ruhigen Nummern für sensible Strukturen. Sie brillieren mit ihren Soli, wobei gerade Castellucci seine allerorts hochgelobten Schlagzeugtechniken mit einer inneren Ruhe und manchmal einer Portion Schalk im Nacken zur Geltung kommen lässt.
Das Publikum ist begeistert, wovon der lang anhaltende frenetische Schlussapplaus zeugt. Dafür bedanken sich die drei Musiker mit Fischbachers „Normal“ von der gleichnamigen, vor zehn Jahren erschienenen CD.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tödlicher Holunderwein
„Arsen und Spitzenhäubchen“ am Schauspiel
„In der Welt der Kunst geht es darum, gesehen zu werden“
Regisseur Nicolas Charaux über „Mephisto“ am Wuppertaler Opernhaus – Premiere 03/25
Zeitreise mit Muse
„Von Thalia geküsst“ im Opernhaus – Auftritt 02/25
Fusion Jazz lebt
Opus Wolle im Opernhaus – Musik 01/25
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
Unterhaltsame Kurzweil
„Die lustigen Weiber von Windsor“ am Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 07/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
Von der Liebe enttäuscht
Premiere von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ in Wuppertal – Auftritt 04/24
„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24
Knechtschaft und Ungerechtigkeit
„Cinderella“ im Opernhaus Wuppertal – Oper 12/23
„Giftmord als Kammerspiel ist immer willkommen“
Regisseur Roland Riebeling über „Arsen und Spitzenhäubchen“ am Schauspiel Wuppertal – Premiere 11/23
Gehaltvolle Klavierliteratur
Elisabeth Leonskaja im Gevelsberger Zentrum für Kirche und Kultur – Musik 05/25
Kunst inmitten des Menschheitsverbrechens
Musik und Texte aus Theresienstadt auf der Insel – Musik 05/25
Dämonisches Treiben
9. städtisches Sinfoniekonzert in der Historischen Stadthalle – Musik 05/25
Trauer in Dur
Streichquartett Quatuor Danel in der Immanuelskirche – Musik 05/25
Zwischen den Pausen
Chorwerk Ruhr in der Immanuelskirche – Musik 04/25
Powerplay nonstop
Die Billy Cobham Band im Loch – Musik 04/25
Die Stille zum Klingen bringen
Das Chorwerk Ruhr in der Immanuelskirche – Musik 04/25
Klage der Toten
Armenische Totenlieder auf der Insel – Musik 04/25
Dynamisches Debüt
Achtes städtisches Sinfoniekonzert in der Stadthalle – Musik 04/25
Entgegen der Erwartung
4.stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen – Festival 04/25
Erfolgreiche Nachwuchsarbeit
Die Elberfelder Mädchenkurrende – Porträt 04/25
So zart, so donnernd
Aki Takase und Daniel Erdmann auf der Insel – Musik 04/25
Krautig, psychedelisch, akustisch
Grobschnitt im Live Club Barmen – Musik 04/25