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Sie haben 1988 alles verloren
Fotos: © HAUKARI e.V.

Von Göttinnen zu Arbeitstieren

25. September 2014

Information und Kunst. „Single Moms“ im Bonner Frauenmuseum – Kunstwandel 10/14

Diese Bilder schnüren einem die Kehle zu. Im Obergeschoss des Bonner Frauenmuseums wandert der Besucher an hunderten schwarz gekleideten Frauenportraits vorbei. Alle halten Fotos oder Dokumente in der Hand. Diese schwarzen Witwen sind nicht gefährlich. Sie haben 1988 alles verloren beimMassaker unter dem Codewort „Anfal“ (eine Koransure). Damals zerstörte das irakische Regime tausende Dörfer und tötete mehr als 100.000 Männer und junge Frauen im kurdischen Norden des Landes. Seit Mai 2010 fotografieren lokale KünstlerInnen Anfal-Überlebende mit Erinnerungsstücken ihrer verschwundenen Angehörigen. Die Ausstellung kuratiert der im Ruhrgebiet bekannte Museumsmacher Michael Fehr. In der Stadt Rizgary treffen sich überlebende Frauen seit 2009 im Projekt „Erinnerungsforum Anfal“. Ihr Ziel ist die Errichtung einer selbst gestalteten und verwalteten kreisrunden Gedenk- und Begegnungsstätte, für die es bereits einen Entwurf vom in Mexiko sitzenden deutschen Architekturbüro Christoph Zeller/Ingrid Moye gibt.

Eingebettet ist die Dokumentation in die Ausstellung „Single Moms“, kuratiert von Bettina Bab und Museumschefin Marianne Pitzen, die selbst eine Rauminstallation aus Objekten, Figuren und Booten beisteuerte. Single Moms mochte eigentlich niemand, seit die Katholische Kirche in der weltlichen Machtstruktur angekommen war. Auf dem Konzil von Trient (1545-1563) wurde bestimmt, dass die Ehe Voraussetzung sei, um ein Kind zu zeugen. Dabei ging es natürlich weniger um Moralvorstellungen als um Kontrolle. Aber Frauen, die sich dem entzogen – tja, Kerker, Peitsche, Verbannung. Im 19. Jahrhundert begann dann die wissenschaftlich analysierte Geburt mit Hebel, Geburtszange und Wendestäbchen. Eine Vitrine zeigt das ganze technische Bemühen, auch die Mütter- und Kindersterblichkeit in den Griff zu kriegen. Dass viele in irgendwelchen Erdlöchern entsorgt wurden, führte in Österreich zur Errichtung der Wiener Gebär- und Findelanstalt. So wollte man die verpönten unehelichen Geburten kontrollieren. Im 20. Jahrhundert war laut Bürgerlichem Gesetzbuch der Vater nicht einmal mit seinem unehelichen Kind verwandt. Auch wenn das BGB geändert wurde, für die unehelichen Mütter hat sich bis heute natürlich nichts geändert.

Steigt man im Frauenmuseum eine Zeit-Etage höher, lernt man, dass der Begriff „alleinerziehend“ aus der westlichen Welt stammt, dass es den Solisten unter den Müttern im Rest der Welt deshalb nicht besser geht. Immerhin gibt es in Brasilien Gefängnisstrafen für zahlungsunwillige Väter. Viele Organisationen bemühen weltweit sich um das Wohlergehen von Mutter und Kind, viele ohne Unterstützung staatlicher Organe und gegen Willen des vorherrschenden Patriarchats. Exemplarisch das von Rebecca Lolosoli begründte erste afrikanische Frauendorf „Umoja“ in Kenia. Bedrückend die Informationen über Teenagerschwangerschaften aus Bildungsnot oder Vergewaltigung, was auch zu Armuts-Prostitution und in den westlich dominierten Adoptionsmarkt führt. Die einfachste Lösung liefert die Kampagne „Because I am a girl“: Wer Entwicklung will, muss Mädchen fördern.

Single Moms/Vom Leben nach Anfal“ | bis 9.11. | Frauenmuseum Bonn | 0228 69 13 44

PETER ORTMANN

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