Geht es nach den Verfechtern der Gemeinwohl-Ökonomie, dann richtet sich die Wirtschaft nach dem Wohl der Menschen – nicht umgekehrt. „Wir müssen anders wirtschaften, um allen Menschen und Lebewesen ein gutes Leben zu ermöglichen“, sagt Martina Dietrich. Sie gehört zum Vorstand des Vereins Gemeinwohl-Ökonomie Rheinland, 2018 gründete sie die Regionalgruppe Köln-Bonn. Nach vielen Jahren in der Personal- und Organisationsentwicklung, könne sie sich nun als selbstständige Unternehmensberaterin für Menschenwürde und Solidarität einsetzen.
Die Bewegung entstand 2011 und geht zurück auf das Buch „Gemeinwohlökonomie“ des österreichischen Aktivisten Christian Felber. Während Kritiker seine Thesen als ungenau und schwer umsetzbar beurteilen, treffen sie jedenfalls einen Nerv. Denn während an Hochschulen eine Volkswirtschaftslehre nach neoliberal-kapitalistischen Grundsätzen vorherrsche, suchten Studierende, Konsumenten und Unternehmen zunehmend nach alternativen Wirtschaftsmodellen, ist Dietrich überzeugt.
Mehr als Profit
Wichtiges Instrument ist hierbei die Gemeinwohl-Bilanz eines Unternehmens. Mit einer Matrix wird die Umsetzung von Grundwerten bei zentralen Gruppen wie Lieferanten, Kunden, Mitarbeitenden überprüft. Neben dem Gewinn sollen vor allem Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Transparenz und Gerechtigkeit bedacht werden.
Für gemeinwohlorientiertes Handeln gibt es Punkte. Arbeitet ein Unternehmen mit fair und ökologisch produzierenden Subunternehmen zusammen, zahlt faire und transparente Löhne und fördert die Mitbestimmung der Mitarbeiter, hat es gute Chancen auf eine hohe Punktzahl. Mit einem Zweijahresbericht werde Transparenz geschaffen und Kunden, Lieferanten und Mitarbeitende könnten sich so für oder gegen Unternehmen entscheiden, so Dietrich.
Gemeinwohlberater können den Prozess überprüfen. „Die Gemeinwohl-Bilanz soll kein neues Greenwashing-Tool sein“, so Dietrich. Zurzeit sei die Bilanzierung freiwillig, teilnehmen würden vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die an Veränderung interessiert seien, derzeit deutschlandweit über 600 Unternehmen.
Kölner Pilotprojekt
Das Kölner Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt will das etablieren. Im Rahmen eines Pilotprojekts erstellen zwölf Kölner Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz, darunter die Brauerei Heller, Bunte Burger, Köln Bäder oder die Stadtentwässerungsbetriebe. Die Kosten übernimmt die Stadt. Auch europäische Richtlinien werden geprüft, bereits 2024 soll die Gemeinwohl-Bilanzierung ein Instrument sein, mit dem größere Unternehmen ihre Berichtspflicht erfüllen können. „Die Gemeinwohl-Bilanz sollte verpflichtend für alle Unternehmen sein, dann würden endlich auch die schwarzen Schafe sichtbar“, sagt Dietrich. Einen Lichtblick sieht sie in der Bildung, in Österreich, Italien und Spanien gebe es bereits Lehrstühle für Gemeinwohl-Ökonomie.
Auch in Köln pflege der Verein Kontakte zu Hochschulen, so Dietrich, es bildeten sich Arbeitsgruppen, auch länderübergreifend. Beim „Schokoladenplanspiel“ können Schülerinnen und Schüler Grundsätze der Gemeinwohl-Ökonomie verfolgen.
Für eine Gemeinwohl-Ökonomie sei zu klären, welche Messgrößen das Wohlergehen widerspiegeln – was bedeuten Glück und Zufriedenheit? In Tübingen gibt es dazu ein empirisches Projekt unter Bürgerbeteiligung. Damit „Gemeinwohl“ keine hohle Phrase bleibt.
ARMUT LEICHT GEMACHT - Aktiv im Thema
taxmenow.eu | Die Initiative reicher Menschen setzt sich für Verteilungs- und Steuergerechtigkeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein.
mein-grundeinkommen.de | Der Verein wirbt für die positiven Effekte, die mit einem flächendeckenden bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) einhergehen würden und verlost regelmäßig ein einjähriges BGE über monatlich 1000 Euro.
der-paritaetische.de | Im Paritätischen Wohlfahrtsverband versammeln sich bundesweit über 10.000 zivile Wohlfahrtsorganisationen.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gerechtes neues Jahr
Intro – Armut leicht gemacht
Klassenkampf von oben
Reiche und ihre politischen Vertreter gönnen den Armen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln – Teil 1: Leitartikel
„Die Crux liegt in der Lohnstruktur“
Ökonomin Friederike Spiecker über Ursachen und Bekämpfung von Armut – Teil 1: Interview
Für eine Kindheit ohne Armut
Die Diakonie Wuppertal – Teil 1: Lokale Initiativen
Angst und Unwissen
Ökonomische Bildung darf nicht mehr Mangelware sein – Teil 2: Leitartikel
„Eindeutig ein Defizit bei der Demokratiebildung“
GEW-Vorsitzende Maike Finnern über gerechte Schulbildung – Teil 2: Interview
„Um den Armen zu geben, braucht man nicht das Geld der Reichen“
Ökonom Maurice Höfgen über Staatsfinanzierung und Wohlstand – Teil 2: Interview
Nachrichten als Krise
Medienfrust und der Vertrauensverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Teil 3: Leitartikel
„Berichterstattung beeinflusst politische Entscheidungen“
Journalismusprofessor Kim Otto über den Wandel im Wirtschaftsjournalismus – Teil 3: Interview
Gegen die soziale Kälte
Duisburger Initiative „Unsere Armut kotzt uns an“ – Teil 3: Lokale Initiativen
Perspektiven gegen Armut
Das Herner Sozialforum – Teil 3: Lokale Initiativen
Bis zur nächsten Abstimmung
Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen – Europa-Vorbild Schweiz
Gefestigtes Umfeld
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Weltweit für Menschenrechte
Teil 2: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Sorgen und Erfahrungen teilen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Kölner Verein Rat und Tat unterstützt Angehörige von psychisch kranken Menschen
Im eigenen Körper durchs Leben
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Filmreihe „Body Positivity“ vom Medienprojekt Wuppertal
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 2: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
Leistung ist nicht alles
Teil 3: Lokale Initiativen – Initiative an der Deutschen Sporthochschule fördert psychische Gesundheit
Opfer nicht allein lassen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Weisse Ring Wuppertal hilft Menschen, die unter Kriminalität und Gewalt leiden
Keine Subventionen gegen Mensch und Natur
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Schutzgemeinschaft Fluglärm Dortmund – Unna
Vorsicht Kunst!
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Kölner Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler
Für eine neue Öffentlichkeit
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Mobile Oase in Wuppertal-Oberbarmen
Ein Kiez gegen Rechts
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Quartiersdemokraten in Dortmund-Dorstfeld
Meine Stimme zählt
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Outline e.V. in Köln-Chorweiler
Etwas zurückgeben
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Zentrum für gute Taten e.V.