Während in Wuppertal über den Neubau einer Moschee diskutiert wird, spricht man in der Türkei zurzeit über den Bau von nicht weniger als 80 neuen Gotteshäusern. Jede Universität solle eine eigene Moschee bekommen. Das befand Mehmet Görmez, Leiter von Dyanet İşleri Başkanlığı, dem „Präsidium für Religionsangelegenheiten“, im November. 15 Moscheen seien in Bau, 50 sollen im nächsten Jahr mindestens hinzukommen, berichtet das Präsidium. Kritiker fürchten, dass sich das säkulare Staatssystem der Türkei dadurch in Richtung einer religiös motivierten Politik verändern könnte. Seit 2014 ist Zahl der religionsgeprägten Schulen bereits von 415 auf 2544 angestiegen, die sogenannten Imam-Hatip-Schulen.
Auch unter den Studenten finden sich nicht nur begeisterte Stimmen zu den Bauplänen der Campus-Gotteshäuser. Mehmet Karaca, Direktor an der Technischen Universität von Istanbul, hatte im März auf eine Online-Petition verwiesen. Karaca unterstützt den Plan des Moscheebaus – wie anscheinend mehr als 180.000 Menschen in der Petition, die er zur Argumentation hinzuzog. Kritische Studenten begannen daraufhin, sich mit Gegenpetitionen zu wehren und Gehör zu verschaffen. Ein buddhistischer Tempel solle ebenfalls an die TU Istanbul, schreibt die Gründerin der entsprechenden Petition. „Ich kann meine religiösen Bedürfnisse nicht erfüllen, weil der nächste buddhistische Tempel 2000 Kilometer entfernt ist und ich es in der Mittagspause nicht dorthin schaffe“, zitiert Spiegel Online einen Internetuser, der die Petition virtuell unterschrieben hat. Einer von mehr als 20.000 innerhalb von vier Wochen.
Aber nicht nur in den Istanbuler studentischen Kreisen schlagen die Baupläne Wellen. Es gab eine weitere Petition, die weltweit Schlagzeilen machte und entsprechend bebildert wurde. Mit einem grünlich-grauen, spitzohrigen Yedi-Meister. Die Petition schließt niemand geringeren als Meister Yoda aus dem amerikanischen Science-Fiction-Klassiker „Star Wars“ ein. In der Dokuz Eylül Universität im westtürkischen Izmir solle es auch einen Tempel für Jedi-Ritter geben, schlugen die Initiatoren der Petition vor. „Während der Ruf des Muezzin über den Campus hallt, gongt es im Buddha-Tempel. Und ein Gebäude weiter ertönt die Filmmusik von Star Wars“, fantasierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung passend launig vor sich hin. Und die Initiatoren selbst schreiben: „Um neue Jedi zu gewinnen und um das Gleichgewicht der Macht zu erreichen, wollen wir einen Jedi-Tempel“. Immerhin 8.000 Unterzeichner haben die „Jedis“ schon für sich gewonnen.
Wenn man ehrlich ist: Erinnert das nicht auch ein bisschen an Wuppertal? Dem „Tal der tausend Sekten“? Universitätsdirektor Mehmet Karaca ist jedenfalls bei so viel Aufruhr schon wieder zurückgerudert. Er sagte, er würde in der Technischen Universität Istanbul auch eine Synagoge bauen lassen, wenn die Nachfrage entsprechend groß wäre.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Zusammen HALT !
BIRLIKTE kehrt mit ungebrochener Lebensfreude am Sonntag nach Köln zurück
Die Moschee und ihre Nachbarn
Die türkisch-islamische DITIB-Gemeinde will an der Gathe neu bauen – THEMA 06/15 MEINE MOSCHEE
„Moscheen darf man nicht in Hinterhöfen verstecken“
Mustafa Temizer von der Türkisch-Islamischen Gemeinde über Neubaupläne an der Gathe – Thema 06/15 Meine Moschee
Integration aus einer Hand
Das Ressort für Zuwanderung und Integration ist in Wuppertal für Einwanderer zuständig – Thema 06/15 Meine Moschee
Kampf um Kalorien
Intro – Den Bach runter
Nach dem Beton
Teil 1: Leitartikel – Warum wir bald in Seegräsern und Pilzen wohnen könnten
„Städte wie vor dem Zweiten Weltkrieg“
Teil 1: Interview – Stadtforscher Constantin Alexander über die Gestaltung von Wohngebieten
Für eine gerechte Energiewende
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa
Keine Frage der Technik
Teil 2: Leitartikel – Eingriffe ins Klimasystem werden die Erderwärmung nicht aufhalten
„Klimakrisen sind nicht wegzureden“
Teil 2: Interview – Der Ökonom Patrick Velte über die Rückabwicklung von Nachhaltigkeitsregulierungen
Von Autos befreit
Teil 2: Lokale Initiativen – Einst belächelt, heute Vorbild: Die Siedlung Stellwerk 60 in Köln
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 3: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 3: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Unter Fledermäusen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Vielfalt in den Feldern
Belohnungen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft – Europa-Vorbild: Österreich
Was bleibt
Die Natur und wir – Glosse
Hört das Signal
Intro – Gesund und munter
Privatvergnügen
Teil 1: Leitartikel – Die Zweiklassenmedizin diskriminiert die Mehrheit der Gesellschaft
„Das Gesundheitssystem wird unter Druck geraten“
Teil 1: Interview – Arzt Bernhard Winter über den Vorwurf einer Zweiklassenmedizin
Verbunden für die Gesundheit
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Selbsthilfe-Kontaktstelle unterstützt Bürgerengagement
So ein Pech
Teil 2: Leitartikel – Opfer von Behandlungsfehlern werden alleine gelassen
„Der Arzt muss dieses Vertrauen würdigen“
Teil 2: Interview – Kommunikationswissenschaftlerin Annegret Hannawa über die Beziehung zwischen Arzt und Patient
Gesundheit ist Patientensache
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Patientenbeteiligung NRW in Köln
Heimat statt Pflegeheim
Teil 3: Leitartikel – Seniorengerechtes Bauen und Wohnen bleibt ein Problem
„Wo Regelmäßigkeit anfängt, sollte Nachbarschaftshilfe aufhören“
Teil 3: Interview – Architektin Ulrike Scherzer über Wohnen im Alter