Nur einmal im Monat ist es möglich die Inszenierung von Johann Kresnik in der Wuppertaler Oper zu sehen, und dieser Abend ist dort längst zum Kultveranstaltung avanciert, nicht nur wegen seiner wildwahnsinnigen Inszenierung, nein, es ist auch die einzige Chance sich einmal in den richtigen Innereien des 1905 in einer Mischung von Neobarock und Jugendstil gebauten Musentempels zu verlieren. Fast ungläubig stumm folgen die Zuschauer dem heutigen Intendanten Thomas Braus durch die teils engen Flure. „Diese Nacht soll nie enden.“ So hatte es eigentlich im Kronleuchterfoyer begonnen und jetzt? Jetzt hockt oder steht man irgendwo, egal, zur Hölle will man und die scheint doch auch irgendwie im Himmel zu sein, denn immer höher schraubt sich Dante in die Höllenkreise, immer höher in die geheimen Gänge. Immer höher schraubt sich auch der Geist.
Braus hat die Fassung des Dante-Alighieri-Infernos selbst erarbeitet, deutlich gekürzt, das Irre in eine Art Glaskugel verpackt, die er nach Belieben schütteln kann und dosiert oder brachial ins Publikum schleudert. Mal hängt er einfach da, mal steckt er hinter Türen, der freie Oberkörper mit Blut, Schlamm und Staub beschmiert, drängt er seine Beobachter zurück und wieder weiter, mit geschwärztem Gesicht, mit Eimern voller Wasser durch den Staat der Leiden, des ewigen Schmerzes. Spätestens wenn Teile eines rohen Hähnchens an der Kleidung kleben, hätte der Beobachter doch mal eine scheue Reaktion aus dem Publikum erwartet. Nichts da. Alles starrte gebannt auf diesen gestählten Körper, der da durch die Innereien der Oper hastete und Antworten in seinem Irrsinn sucht.
„Die Hölle/Inferno“ | R: Johann Kresnik | 13.1., 6.2. je 21 Uhr | Opernhaus Wuppertal | 0202 563 76 66
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Von der Liebe enttäuscht
Premiere von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ in Wuppertal – Auftritt 04/24
„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24
Knechtschaft und Ungerechtigkeit
„Cinderella“ im Opernhaus Wuppertal – Oper 12/23
„Giftmord als Kammerspiel ist immer willkommen“
Regisseur Roland Riebeling über „Arsen und Spitzenhäubchen“ am Schauspiel Wuppertal – Premiere 11/23
Neue Allianzen
Bühnen suchen ihr Publikum – Theater in NRW 07/23
„Es geht nicht darum, etwas zu verstehen“
Wuppertals Opernintendant Berthold Schneider zur dritten Inszenierung von „Three Tales“ – Premiere 06/23
„Jede starke Komödie ist tragisch“
Maja Delinić über „Der Revisor“ am Schauspiel Wuppertal – Premiere 03/23
Krakatuk erst spät geknackt, Pirlipat dennoch gerettet
„Der Nussknacker“ am Opernhaus – Auftritt 12/22
Wilde Wasserspiele
Tanztheater Wuppertal mit Pina Bauschs „Vollmond“ – Prolog 11/22
Überwältigender Raumklang
„Intolleranza 2022“ an der Oper Wuppertal – Oper in NRW 10/22
Einmal einfach nur König sein
Marcus Lobbes inszeniert „Macbeth“ am Wuppertaler Opernhaus – Prolog 09/22
Wenn die Lippen schweigen
Franz Lehárs „Lustige Witwe“ im Operhaus Wuppertal – Oper in NRW 08/22
Auf die Melancholie die Liebe
Theatergruppe Bamboo inszeniert frei nach Georg Büchner – Bühne 04/24
Teuflischer Plan
Senecas „Phaedra“ am Theater am Engelsgarten – Prolog 04/24
„Es geht nicht mehr um den romantischen Naturort“
Manuel Schmitt inszeniert „Erwartung / Der Wald“ an der Oper Wuppertal – Premiere 04/24
„Das Klügste ist, dass man die Polizei gar nicht sieht“
Anne Mulleners inszeniert „Falsch“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 03/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
„Wir haben uns absolut gegen den großen Stein entschieden“
Regisseurin Hannah Frauenrath über „norway.today“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 12/23
„Es gibt nicht die eine Arie, die jeder kennt“
Martin Andersson über seine „Tristan und Isolde“-Inszenierung an der Oper Wuppertal – Premiere 10/23
Gerupfte Hoffnungsträger
Musiktheater der Gegenwart: Du Yuns „Angel’s Bone“ – Oper 09/23
„Es geht darum, was es heißt, politisch aktiv zu werden“
Jenke Nordalm inszeniert Thomas Köcks „Klimatrilogie“ im Theater am Engelsgarten – Premiere 09/23