Da zeichnen sich mythische Dimensionen ab. Es war König Midas gegeben, alles in Gold zu verwandeln, was er berührte. Er musste einsehen, dass das Fluch statt Segen war; hätte er sich doch auch von Gold ernähren müssen. Um Gold geht es im Folgenden nicht, sondern um Plastik; und wer braucht schon Gold, wenn er Plastik haben kann? Schaue ich mich um, sehe ich überall Plastik. Sogar Plastikgeld. Also: Gold war gestern. Und heute? Nun, der Wupperverband reiht sich in ein EU-Projekt, das aus Abwasser Plastik zu gewinnen sucht, mittels in Kläranlagen heimischer Mikroorganismen. Den Gag, dass damit aus Scheiße gleichsam Gold würde, wollte ich uns ersparen – tu’s aber nicht. Ernsthaft, Bioplastik aus unseren ureigenen Hinterlassenschaften? Auf jeden Fall! Eindlich eine Chance, den Plastikwahnsinn in eine möglicherweise ökologische Kreislaufwirtschaft zu wandeln, obwohl jeder Marktanteil auf absehbare Zeit kaum der Rede wert wäre, wie Forscher einräumen. Das kann sich ändern. Ob wir so eine Technik mal bereuten wie der seelige Midas? Eher nicht. Der trat seine von Dionysos erpresste Gabe dankbar ab an einen Fluss, womit wir schon wieder beim Wasser wären, aber egal. Wer weiß, was die Gentechnik uns noch beschert? Es brauchte einen Gott, aus einem Menschen einen Goldwandler zu machen. Werden Forscher dereinst aus Menschen Plastikwandler machen? Absurd, oder? Ja, hoffe ich auch.
In einem teils besorgniserregenden Wandel sind unsere Gesellschaften sowieso. Unser Monatsthema RECHTSBLIND fragt, ob wir vor lauter politischen Zuschreibungen die Gerechtigkeitsfrage zuweilen aus dem Blick verlieren. Der Soziologie KLAUS DÖRRE erklärt im Interview, was linke Politik dem Rechtsruck erfolgreich entgegensetzen kann.
Christoph Marthaler inszeniert im Rahmen der Ruhrtriennale Charles Ives‘ unvollendetes Kompositionsprojekt in UNIVERSE, INCOMPLETE in der Bochumer Jahrhunderthalle. Peter Ortmann erlebt meditative Szenen ebenso wie gewalttätige und einen wunderbaren, mystischen Ausklang.
Die „Nahaufnahme“ stellt den Biologen JÖRG LIESENDAHL vor. Das Von der Heydt-Museum widmet sich PAULA MODERSOHN-BECKER. Die Malerin verstarb 1907 mit nur 31 Jahren, und die in jüngerer Zeit erkannte Bedeutung ihres Werks für die Gegenwartskunst zeitigte ein geradezu überschwengliches Interesse. Thomas Hirsch über eine Ausstellung, die einen unaufgeregten und genauen Blick erlaubt.
Film des Monats ist Alice Rohrwachers GLÜCKLICH WIE LAZZARO. Das Drama über die Freundschaft zwischen dem gutmütigen Lazzaro und dem aufsässigen Tancredi verbindet biblische Motive und Gesellschaftskritik. Die 1998 geborene ANDREA BERNTZEN gibt ihr Leinwanddebüt in „Utøya 22. Juli“, Erik Poppes Spielfilm über die Anschläge auf der norwegischen Insel. Sie spricht mit uns vorab über die Auseinandersetzung mit dem Massaker und die Herausforderung eines ununterbrochenen Filmdrehs.
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