Esther Hattenbach inszeniert in der Wuppertaler Oper Christoph Nußbaumeders neues Stück „Im Schatten kalter Sterne“ über das Wohl und Wehe von Künstlicher Intelligenz in Killerdrohnen.
engels: Frau Hattenbach, im Schatten kalter Sterne – wird es da wärmer?
Esther Hattenbach: Nein, es wird noch kälter.
Ein Stück über KI in Killerdrohnen – ist das nicht schon ein Text von gestern?
Thematisch ist es keine Zukunftsvision. Also klar, die Technologie gibt es, es gibt diese Waffen. Israel hat das Waffensystem, die deutsche Bundeswehr hat es auch. Es wird aber noch nicht angewendet, weil es nicht zielgenau genug ist, weil nicht klar ist, nach welchen Parametern Ziele ausgewählt werden. Was nicht von gestern ist, ist, dass wir eine Technologierevolution erleben, die sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit entwickelt und wir in gesellschaftlichen Debatten dagegen einen Raum haben, der eine Verlangsamung erfahren hat. Also es geht nicht um die Drohnen. Die Drohnen sind sozusagen ein Beispiel für diese Explosion des technischen Fortschritts, den wir gesellschaftspolitisch und kulturell nicht determiniert bekommen. Von daher ist es wichtig, dass das Theater sich in seiner gesellschaftspolitischen Funktion an diesem Diskurs beteiligt, dass man sich da reinhängt, sich auch gerade in der Kunst damit auseinandersetzt.
Aber wir reden jetzt nicht direkt von der Technik, sondern von der Angst, dass das Werkzeug zum Akteur wird. Dass die künstliche Intelligenz sich vom Menschen emanzipiert. Und wir nicht wissen, was eine befreite Technik uns gegenüber veranstalten würde.
Das sind diese Hollywoodfantasien, dass die Technik sich vom Menschen befreit, sich verselbstständigt, und eigene Wege geht. Technisch ist das nicht machbar, also noch nicht. Eine Maschine oder ein Programm, eine künstliche Intelligenz hat eine bestimmte Aufgabe, hat ein Ziel, und führt das dann aus, ist aber nicht in der Lage, ein Bewusstsein und damit eigene Ziele und Handlungsabsichten zu entwickeln. Dennoch sind wir in dieser Fortschrittsexplosion als Menschen sehr weit hinterher und damit als biologische Neandertaler nicht in der Lage diese Technik zu handhaben. Und das drückt sich aus in dieser Idee, dass sich Technik vom Menschen abkoppeln könnte. Weil sie sich de facto ja abgekoppelt hat, weil es keinen kulturellen Umgang damit gibt. Also das eigentliche Problem ist nicht, dass die Technik sich verselbstständigt, sondern dass wir noch nicht verstanden haben, was die Technik kann und wie sie gesellschaftlich und kulturell begrenzt, eingehegt werden muss, damit sie nicht zum Feind des Menschen wird.
Die Entwicklungen auf dem Gebiet scheinen unumkehrbar. Steckt auch eine Vision in dem Stück?
Ich glaube, die Vision ist, die Debatte anzuregen. Auch Teil der gesellschaftlichen Debatte zu sein. Also als Theater-, als Kulturschaffende, um da auch Verantwortung zu übernehmen. Also neben der Produktion der Kunst und der Unterhaltung. Einfach zu sagen, es ist ein Thema und dem muss man sich stellen.
Was interessiert Sie denn besonders an dem Drama in dreißig Szenen?
Es sind Menschen von heute, es sind aktuelle Fragen, die gestellt werden, aktuelle Zerwürfnisse, Identitätsfragen; wie man sich positioniert. Es ist einfach mal ein Stück aus dem Hier und Jetzt. Das finde ich gut.
Brauchen denn die fliegenden Killerdrohnen ausgerechnet die große Bühne in Wuppertal?
Ob sie sie brauchen… Ja, wir haben eine große Bühne und wir haben auch ein großes Bühnenbild – und ich denke, dass es um große Bilder geht. Also das Stück ist ja der Versuch oder Entwurf, Gesellschaft abzubilden, nachzuzeichnen, und darüber eine Aussage zu treffen. Und ich denke dafür braucht es ein großes Thema und einen großen Raum.
Und als Beiwerk bei Nußbaumeder gibt es wieder Liebe, Verrat, Freundschaft…?
… Macht. Alles, was die Menschen schon immer bewegt hat, ja.
„Im Schatten kalter Sterne“ | R: Esther Hattenbach | 23.(P), 27.2. 19.30 Uhr,
24.2. 18 Uhr | Opernhaus Wuppertal | 0202 563 76 66
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