Bettina Oberli („Die Herbstzeitlosen“) verdichtet in ihrem neuen Film „Wanda, mein Wunder“ die Aspekte hiesiger Pflegemodelle, bei denen Fachkräfte aus dem Nachbarland für einige Monate mit ins Haus einziehen und rund um die Uhr für den Patienten da sein können. Wanda (Agnieszka Grochowska) ist als polnische Pflegekraft für den 70-jährigen Industriellen Josef (André Jung) engagiert worden, der sich nach einem Schlaganfall nicht mehr selbst versorgen kann. Wanda ist im Keller seiner Schweizer Villa untergebracht und bei allen Familienmitgliedern beliebt. Josefs Sohn Gregi (Jacob Matschenz) hat ein Auge auf Wanda geworfen, obwohl er weiß, dass sie Mutter zweier Kinder ist, die in Polen immer sehnsüchtig auf ihre Rückkehr warten. Aber auch Josef weiß die Reize seiner attraktiven Pflegekraft zu schätzen, die er immer mal wieder nachts zu sich ins Zimmer bestellt, damit sie ihm für ein paar zusätzliche Franken Leistungen erbringt, die der Pflegekatalog eigentlich nicht vorsieht. Als diese Gefälligkeiten unerwartete Konsequenzen nach sich ziehen, geraten sowohl die Familie in der Schweiz als auch die in Polen in Schieflage. Was man auch leicht mit den Mitteln der derben Komödie hätte verwässern oder entschärfen können, wird von Bettina Oberli überwiegend ernst und nachdenklich geschildert. Komische Brechungen sind zwar ebenfalls vorhanden, werden aber angenehmerweise nicht zum dominierenden Element. Vielmehr gelingt es der Schweizer Regisseurin, die immanenten Probleme dieses Pflegemodells aufzugreifen und kritisch zu beleuchten. Sowohl die Entbehrungen der polnischen Pflegekraft werden angesprochen als auch die Dreistigkeit der gut situierten Schweizer, die glauben, hier ein All-Inclusive-Paket erworben zu haben, das auch Leistungen als Putzhilfe oder Sexarbeiterin beinhaltet. Zusätzliche interessante Aspekte kommen mit Josefs Tochter Sophie (Birgit Minichmayr) ins Spiel, einer Blaupause der skrupellosen Karrierefrau, die mit ihrem Erscheinen sämtliche Entscheidungen an sich reißt.
„Lamb“ erzählt die Geschichte eines Paares, dass ein etwas außergewöhnliches Baby bekommt. Nicht nur äußerlich ist das Kind auffällig, auch hat das Mischwesen aus Mensch und Lamm ein scheinbar übernatürliches Gespür für seine Außenwelt. Valdimar Jóhanssons Langfilmdebüt glänzt mit einer derartigen Melancholie und Langsamkeit, dass es den Zuschauern einiges abverlangt. Belohnt wird man mit mystischen Aufnahmen einer scheinbar menschenfeindlichen Kulisse und einem Horror-Drama-Genremix, der viel Raum für Interpretation bietet und sich nie so ganz einordnen lässt. Es geht um Themen wie Mutterschaft, Liebe und Zuneigung, getrübt vom Nebel der Hoffnungslosigkeit. Wer sich durch den Dunst des Filmes wagt, gelangt in eine Welt voller Geheimnisse und mystischer Parabeln.
Eine Reihenhaussiedlung am Rande Roms. Wohlhabende Familien führen ein gesittetes, ruhiges, sorgenfreies Leben. Doch unter der Oberfläche brodelt es: Die Männer bekommen nur bemüht ihr Gewaltpotenzial gezähmt, die Mütter agieren auffällig unbeteiligt. Vor allem aber bei den Kindern lauern versteckte Abgründe, die aufzubrechen drohen. Fabio und Damiano D'Innocenzos satirisches Gesellschaftsdrama „Bad Tales – Es war einmal ein Traum“ verbindet Motive der Stepford-Klassiker mit moderner Zivilisationskritik. Einer der großen italienischen Filme der letzten Jahre.
Außerdem neu in den Kinos in Wuppertal und Umgebung: Julie Manoukians romantische Komödie „Plötzlich aufs Land – Eine Tierärztin im Burgund“, Matthew Vaughns Agentenabenteuer „The King's Man: The Beginning“ und Simon Kinbergs Frauen-Actioner „The 355“.
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