Animationsfilme müssen nicht aus dem Computer kommen! Die französische Filmemacherin Florence Miailhe arbeitet an der Schnittstelle zur Kunst mit analogen Techniken, schafft „gemalte Filme“ – etwa mit Pastellkreide oder auch mal Sand. Ihr Langfilm-Debüt „Die Odyssee“ ist in jahrelanger Handarbeit mittels Ölfarbe auf Glas entstanden. Das Ergebnis ist expressives, poetisches Kino vom Feinsten. In Kooperation mit Kinderbuchautorin Marie Desplechin erzählt Miailhe eine Geschichte, die zeitlos ist, aber gerade wieder schmerzhaft: Ein Mädchen und sein kleiner Bruder fliehen aus der kriegsgebeutelten Heimat, werden von den Eltern getrennt und irren auf der Suche nach Zugehörigkeit und Heimat durchs Land. Gewidmet ist der Film u.a. der Großmutter der Regisseurin, die 1905 vor Pogromen aus Odessa floh.
Kurz vor seinem Kinostart am 28.4. bekommt Andreas Dresens Berlinale-Beitrag „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ noch einmal unverhoffte politische Brisanz: Die Ausladung unseres Bundespräsidenten durch die ukrainische Regierung wegen seiner Putin-Versteher-Politik passt ins Bild, das Frank Walter Steinmeier als Chef des Bundeskanzleramtes (1999-2005) abgab, als er die Freilassung Kurnaz‘ hintertrieb. Andreas Dresen lässt dieses unrühmliche Kapitel außen vor und konzentriert sich auf den Kampf einer Mutter für Gerechtigkeit. Die Kölner Comedienne Meltem Kaptan versteht es dabei ihrer ersten Film-Hauptrolle – ausgezeichnet mit dem „Silbernen Bären“ – mit traumwandlerischer Sicherheit die Balance zwischen Tragik und Komik zu halten. So verlässt man mit einem lachenden und einem weinenden Auge diesen wunderbar menschlichen Film.
Es beginnt mit Françoise Hardys „Mon amie la rose“. Dann: Ein altes Ehepaar (Giallo-König Dario Argento und Francoise Lebrun) lebt in einer verschachtelten, mit Büchern und Filmen vollgestopften Wohnung. Er ist Filmkritiker, sie war Psychologin. Im Alltag leben sie aneinander vorbei, ihre Demenz und sein schwaches Herz führen aber auch zu Ärger. Ihr Sohn (Alex Lux), als alleinerziehender Ex-Junkie genug mit sich beschäftigt, ist der Lage auch nicht gewachsen. Gaspar Noé („Irreversibel“), der vor einiger Zeit beinahe gestorben wäre, schlägt in „Vortex“ einen ganz anderen, ruhigen, fast dokumentarischen Ton an. In seinem als Split-Screen gezeigten Porträt – auf der einen Seite er, auf der anderen sie – gibt es keine körperliche Gewalt und keinen Skandal – außer die Armut, die Krankheit und den Tod.
Nicht nur die Ehe und die Beziehung zur Tochter kriseln, Evelyn (Michelle Yeoh) hat auch noch Probleme mit dem Finanzamt. Da wird ihr eröffnet, dass sie auserkoren ist, alle möglichen Universen zu retten. In jedem einzelnen gibt es eine anderes ihrer vielen Ichs, die sie hätte sein können, wenn sie im Leben andere Entscheidungen getroffen hätte. Hier hat sie die eine Fähigkeit, dort eine andere. Und jede hat je nach Situation einen anderen Wert. Und schon switcht Evelyn in einer der wildesten Achterbahnfahrten der Filmgeschichte von einem Universum zum nächsten, kämpft gegen das Böse und versucht die Welt zu retten, ohne so recht zu wissen, wie ihr geschieht. „Everything Everywhere All at Once“, der neue Film der „Daniels“ („Swiss Army Man“), fühlt sich an wie Michel Gondry und Charlie Kaufman auf Speed und sieht auch so aus.
Außerdem neu in den Kinos in Wuppertal und Umgebung: Simon Curtis' Adelsgeschichten „Downton Abbey 2: Eine neue Ära“, Christian Lerchs Kinderdrama „Das Glaszimmer“ und Alain Gsponers Familiengeschichte „Wolke unterm Dach“.
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