„Warum treten die ganzen tollen Frauen in der Wuppertaler Kunst- und Kulturszene so wenig in Erscheinung?“ Ende 2017 unterhielt sich die Musikpädagogin und Gesangslehrerin Lea Isabelle Sander mit einer Freundin über diese Frage. Sie kamen zu der Vermutung, dass Männer einfach besser vernetzt sind. Es entstand die Idee, die Vernetzung von „Geschlechterminderheiten“ (hier verstanden im Sinne von gesellschaftlich vertreten sein: schließt Frauen ein) zu erhöhen: der Impuls zum Yaya-Netzwerk. Zum ersten Netzwerktreffen im Februar 2019 erschienen dann gleich über 40 Frauen. Inzwischen ist daraus auch ein Verein geworden und knapp 80 Menschen bekommen den E-Mail-Newsletter. „Es ist eine beeindruckende Gemeinschaft entstanden“, findet die heute 26-jährige Lea, die auch eine von drei Vorstandsvorsitzenden ist.
Ein wichtiger Begriff bei Yaya ist „Empowerment“. Dazu führt Gin Bali (29), Veranstalterin, DJ und ebenfalls Vorsitzende, aus: „Wir versuchen, uns gegenseitig Kraft und Energie zu geben und uns künstlerische Jobs zu vermitteln“, mit dem Ziel, die Sichtbarkeit von Geschlechterminderheiten zu erhöhen. Lea meint: „Uns geht es darum, dass die lokale Kunstszene ein realistischeres Abbild der Gesellschaft vor Ort wird, denn hier leben nicht nur weiße Männer.“ Gin stimmt zu: „Wir sind ein sehr diverses Land. Das muss vertreten sein.“
Zentral ist folglich ist auch der Begriff „Diversität“. Yaya begreift sich als „intersektional-feminstisch“, sagt Lea und erklärt: „Es geht darum, dass der Feminismus zum Beispiel auch die Situationen von nicht-weißen und nicht-gesunden Frauen mitdenkt. Intersektionalität erkennt an, dass Menschen aus tausend verschiedenen Gründen diskriminiert werden – so unberechtigt diese auch sind.“ So könne etwa eine Frau „zusätzlich diskriminiert werden, weil sie eine schwarze Frau ist“, weiß auch die dritte Vorsitzende, Pia Axmacher (33), eine freie Lichtkünstlerin. Im Yaya-Netzwerk ist Diversität ausdrücklich erwünscht, auch hinsichtlich Klasse, Bildungsstand und Herkunft, wie Gin hervorhebt.
Das Netzwerk hat innerhalb eines Jahres einiges auf die Beine gestellt: So werden etwa Workshops veranstaltet und seit Anfang 2020 gibt es den Podcast „Yaya Talk“. Darüber hinaus finden nach wie vor jeden dritten Montag im Monat um 19 Uhr Netzwerktreffen im Loch statt. Zu diesen wird eingeladen: „Wir sind nicht exklusiv. Es kommen immer neue Leute dazu und alle dürfen so sein, wie sie sind“, berichtet Pia. Allerdings sollte man einer Geschlechterminderheit angehören: „Die Netzwerktreffen sollen einen Safe-Space bilden“, erläutert Gin. Das gilt auch für die Yaya-Partys, die alle zwei Monate in der Mauke stattfinden: „Männer kommen nur noch in Verbindung mit einer Geschlechterminderheit rein. Ohne diese Türpolitik haben sich leider negative Vorfälle gehäuft“, so Gin, die auf den Partys auch DJ ist. Das zahle sich aus, schwärmt Lea: „Die Atmosphäre ist ganz anders: Alle fühlen sich wohl miteinander.“ Eine solche Party ist auch zum Weltfrauentag geplant: Am 7.3. wird in der Mauke reingefeiert. Am 8. gibt es dann in Utopiastadt die Finissage einer Ausstellung von Yaya-Mitglied Ava Weis sowie um 18 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema „Weiblichkeit im Kontext von Intersektionalität“.
Alle drei sind sich einig, dass sie durch das Netzwerk unglaublich viel Kraft bekommen. Pia resümiert: „Es gibt mir die Möglichkeit, Kultur zu machen, ohne große Hemmschwelle. Es ist krass, wie viel Energie mir das gegeben hat, dass ich so viele Frauen* im Rücken hab, die sagen ‚Du machst das super. Weiter so‘“. Und Gin ist sich sicher: „Yaya wurde gebraucht.“
Neuer Feminismus - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
pinkstinks.de | Die Protestorganisation bricht mit Wortwitz und Kampfgeist Rollenklischees auf.
feministinprogress.de | Der Sozialpädagoge Sebastian Tippe beschäftigt sich mit toxischer Männlichkeit, Sexismus in den Medien und der Vater- und Männerrolle im Feminismus.
lila-podcast.de | Die Moderatorinnen diskutieren mit Gästen unterschiedliche Themen aus feministischer Perspektive.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Geschlechterwandel
Intro – Neuer Feminismus
„Wir sind alle rassistisch“
Autorin Jacinta Nandi über weißen und intersektionalen Feminismus
Frauen gegen Männer?
Zwischen Feminismus und Antifeminismus – Glosse
Geschlechter-Gerechtigkeit in der Lohnabrechnung
Der isländische „Equal Pay Act“ – Europa-Vorbild: Island
Feminismus für alle
Warum eine intersektionale Perspektive nötig ist
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 1: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Hilfe nach dem Schock
Teil 2: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Orientierung im Hilfesystem
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Ein neues Zuhause
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Wuppertaler Tierschutzverein Pechpfoten
Forschung muss nicht quälen
Teil 2: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 3: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Einander Zeit schenken
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal
Ankommen zu zweit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Start with a Friend knüpft Kontakte für die Einwanderungsgesellschaft
Nach dem Vertrauensbruch
Teil 3: Lokale Initiativen – Therapeuten-Netzwerk besserlieben berät auch zu offenen Beziehungen
Betroffen und wehrhaft
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Solidaritätsnetzwerk
Bereicherte Arbeit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Migration und Arbeitswelt
Vermögenssteuern für Klimaschutz
Teil 3: Lokale Initiativen – Co-Forschungsprojekt betont sozio-ökologische Herausforderung
Gefestigtes Umfeld
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Weltweit für Menschenrechte
Teil 2: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Sorgen und Erfahrungen teilen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Kölner Verein Rat und Tat unterstützt Angehörige von psychisch kranken Menschen
Im eigenen Körper durchs Leben
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Filmreihe „Body Positivity“ vom Medienprojekt Wuppertal
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 2: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
Leistung ist nicht alles
Teil 3: Lokale Initiativen – Initiative an der Deutschen Sporthochschule fördert psychische Gesundheit
Opfer nicht allein lassen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Weisse Ring Wuppertal hilft Menschen, die unter Kriminalität und Gewalt leiden