Pop und Natur – das geht eigentlich nicht zusammen. „Natural’s not in it“, sangen Gang Of Four 1979 und damit war klar, dass die Affekte von Pop ohne das Schlamassel aus Warenform und Entfremdung nicht zu haben sind. Und als der Öko-Bewegung in den frühen 1980ern auch nichts Besseres als Parkas und Technologieverzicht einfiel, erfreuten sich die Zitat-Popper an der Vielfalt der kulturindustriell feilgebotenen Identitäten. Und sie hatten Recht – die Umweltbewegung brauchte einige Zeit, um sich von Esoterikern und Sozialdarwinisten zu befreien. Kein Wunder also, dass die Natur für Pop-Fans bis heute nicht ganz koscher ist. Trotzdem gibt es selbstverständlich auch Pop, der „Natürlichkeit“ nicht nur als Zeichen benutzt. Der amerikanische Songwriter Bon Iver zog sich 2007 in eine einsame Hütte in Wisconsin zurück, um dort sein Album „Emma, Forever ago“aufzunehmen. Sicher, die Rückkehr zur Natur ist ein alter amerikanischer Mythos, aber Bon Iver hatte nicht vor, das neue „Walden“zu schreiben. Stattdessen hat er das Ende einer Beziehung verarbeitet und die Nähe zur Natur sollte einen „ungefilterteren“ Zugang zu den eigenen Gefühlen ermöglichen. Der sensible Jungmann findet in der Wildnis zu sich selbst. So weit, so restaurativ.
Anders halten es die Black-Metaller von Wolves in the Throne Room mit ihrer Nähe zur Natur. Sie leben im US-Bundesstaat Washington auf einer Farm ein Leben aus DIY und Selbstversorgertum, auf Tour gehen sie nur mit Bedenken über ihre Klimabilanz. Bei ihren Auftritten schmücken sie ihr Bühnenbild mit Tannenzweigen, und in dieser Kulturlandschaft spielen sie symphonischen Black Metal, der zwischen dem brutalstmöglichen Schockeffekt und ausgedehnten Spannungsbögen schwankt. Eine spirituelle Verbundenheit zu ihrer Heimat im Nordwesten sucht Sänger Aaron Weaver, aber dies will er bewusst nicht als „Blut-und-Boden-Ideologie“ verstanden wissen. Genauer wird er in seinem ökologischen Aktivismus nicht, aber muss ja auch nicht sein.
Denn meistens steht ein ökologisches Sendungsbewusstsein dem guten Popsong doch eher im Weg. Michael Jacksons „Earth Song“ lässt sich selbst in totenehrfürchtiger Verklärung nur als narzisstisches Rührstück beschreiben. Und Wolf Maahns Auftritte auf den letztjährigen Anti-Atom-Demos waren eine akustisch eher verzichtbare Form von Solidarität – der Elektronik-Producer Moby hat zumindest nur seine Booklets mit Ratschlägen für eine bessere Welt zugekleistert. Dabei ist es eigentlich naheliegend, technologisch avancierte Musik mit avancierter Umwelttechnologie zu koppeln, ohne dass sich beide in die Quere kommen. Die Breitwand-Raver Orbital haben in den späten 1990ern als Werbemaßnahme für Greenpeace ein paar Gigs ausschließlich per Solarenergie befeuert. Und heute, wo Pop eh zuerst Mode ist, versöhnt die New Yorker Designerin Nicola Formichetti Rave-Ästhetik und Naturmaterialien, als hätte es den Gegensatz von Öko und Pop nie gegeben.
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