Der französische Regisseur Nicolas Bedos („Die Poesie der Liebe“) entwirft eine komödiantischere Variante von David Finchers „The Game“: Victor (Daniel Auteuil) hat den Sprung ins digitale Zeitalter ebenso verpasst wie den Erhalt der Liebe zu seiner Frau Marianne (Fanny Ardant), mit der er bloß noch spöttelnd aneinander vorbei lebt. Sie hat sich längst eine Affäre zugelegt. Der erwachsene Sohn hält das irgendwann nicht mehr aus. Als er von einer Firma Wind bekommt, die Zeitreisen auf Wunsch inszeniert, lädt er den Papa dazu ein und fragt, wohin es gehen soll. Victor kommt zuerst die Steinzeit in den Sinn: „Damals hab ich noch mit meiner Frau geschlafen.“ Nach Eskalation und weiterer Besinnung ändert er den Plan und legt den Mai 1974 in Lyon als Ziel fest. Dort, in einem Bistro, begegnete er zum ersten Mal Marianne. Victor färbt sich den Mustache und sitzt schon bald der jungen Marianne gegenüber – bzw. der Darstellerin, die sie spielt. Eine zweite Chance für die Liebe? Munter jongliert Bedos in „Die schönste Zeit unseres Lebens“ mit den Ebenen: Während Victor das Spiel fortwährend durchbricht, indem er Dialoge korrigiert und Schauspieler zurechtweist, fechtet die Darstellerin der Marianne am Set ihre Beziehungskrise mit dem Regisseur aus. Parallelmontagen lenken den Blick zugleich noch zur echten Marianne, die zusehends die Lust an ihrer Affäre verliert. Und Victor kommt mit der falschen Marianne der echten wieder näher. Bedos sprudelt vor Ideen, Zitaten und Metaphern. Großen Spaß machen vor allem die vielen Details am Set der Illusion, das Spiel mit den Ebenen, die Brüche.
Manchmal braucht es nur wenig, um einen Film zum großen Erlebnis zu machen. Robert Eggers reichen die atmosphärische Kulisse eines Leuchtturms auf einer Insel vor Neuengland und zwei herausragende Schauspieler: Robert Pattinson und Willem Dafoe liefern sich in dieser Fabel um einen jungen Mann, der um 1890 als Gehilfe bei einem herrischen Leuchtturmwärter anfängt, ein furioses Psycho-Duell. Als ein tagelanger Sturm verhindert, dass ein Versorgungsschiff anlegt, eskalieren die Spannungen unter Alkoholeinfluss zum Wahn. In Schwarz-Weiß-Ästhetik und in einem fast quadratischen Bildformat gedreht, das die klaustrophobische Atmosphäre forciert, zeichnet „Der Leuchtturm“ eine raue Realität, die zunehmend löchrig wird und die alten Mythen und Legenden durchscheinen lässt, die seit Unzeiten mit dem Meer verbunden sind.
Außerdem neu in den Kinos in Wuppertal, Solingen und Remscheid: Alan Elliotts und Sydney Pollacks mitreißendes Zeitdokument „Aretha Franklin: Amazing Grace“, Mariko Minoguchis schicksalhafte Liebesgeschichte „Mein Ende. Dein Anfang.“, Lorene Scafarias True-Crime-Story „Hustlers“ und Bill Condons Rentnerkrimi „The Good Liar - Das alte Böse“.
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