Oben auf einem Berg thront über dem Gewirr der Autobahnspuren des Sonnborner Kreuzes eine alte Fabrik. Früher wurden hier Getriebelager hergestellt. Heute ist die Produktionshalle Kernstück eines innovativen Unternehmens. Die gemeinnützige Gesellschaft für Entsorgung, Sanierung und Ausbildung, kurz GESA, unterhält hier ihren Holzenergiehof. Sowohl ökologisch wie auch sozial gilt dieses Projekt in Fachkreisen als modellhaft. Menschen, die auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, holen unter fachkundiger Anleitung Holz aus den umliegenden Wäldern und verarbeiten dieses zu Brennstoff aus nachwachsendem Rohstoff.
Stolz präsentiert Holger Stockhaus die Produktionsanlagen. Vor dem über vier Meter hohen Berg von geraspeltem Holz sehen die umstehenden Menschen in der Lagerhalle winzig aus. Ein anheimelnder Geruch von Baumharz liegt in der Luft. „Die Hackschnitzel bieten wir in verschiedenen Größen und unterschiedlich stark getrocknet an, damit jede Verbrennungsanlage mit dem optimalen Brennstoff betrieben werden kann“, erklärt Stockhaus. Draußen, auf dem Freigelände, türmen sich weitere Berge von Hackschnitzeln. Manche dampfen in der kalten Winterluft, als wären sie gerade aus einem riesigen Ofen genommen worden. Bakterien, die das Holz zersetzen, bilden die Wärme zur Trocknung des Brennstoffs. „Regelmäßig müssen wir mit dem Bagger das Material umschichten, um den Gärungsprozess zu unterbrechen“, berichtet der gelernte Förster. Einmal hatten Passanten sogar Alarm geschlagen, weil sie dachten, dass die Berge brennen würden. Die anrückende Feuerwehr konnte aber schnell wieder beruhigt werden.
Viele tragen nach der Schicht ihre orange-grüne Arbeitskleidung sogar voller Stolz in der Schwebebahn
Das Holz wird aus regionalen Wäldern geholt, wobei das Einzugsgebiet der GESA schon recht groß ist. Manche Arbeitstrupps fahren bis Velbert, andere bis zur Dhünntalsperre bei Wermelskirchen. Private wie öffentliche Waldbesitzer schätzen die Arbeit der GESA. Denn die Pflegemaßnahmen im Wald führen dazu, dass die verbleibenden Bäume besser wachsen können. Die sogenannte Jungbestandspflege und später die „Läuterungsmaßnahmen“ (d.h. Erfassung und Stammzahlreduzierung, Anm. d. Red.) sind personalintensiv und deshalb für viele Waldbesitzer kaum lohnend. Die nehmen oft lieber einen stärkeren Schädlingsbefall durch verrottendes Holz in Kauf, als dass sie ihren Wald aufräumen. Manche Wälder wurden seit 30 Jahren nicht mehr gepflegt, obwohl alle drei bis fünf Jahre solche Maßnahmen geboten sind. Da kommt das Angebot der GESA gelegen. Ein großer Teil der Arbeit wird hier durch Langzeitarbeitslose, die nur einen geringen Stundenlohn von bis zu zwei Euro zusätzlich zu ihrer Unterstützung erhalten, bewältigt. Trotzdem ist das Geschäft mit dem Holz für die gemeinnützige GmbH keine Goldgrube. Die Betreuung der Mitarbeiter ist zeitintensiv. „Viele sind zunächst ganz weit weg von der Arbeit“, räumt Holger Stockhaus ein. Seine Kollegin, die Sozialarbeiterin Silke Angenendt, berichtet aber auch von den Erfolgen. Strafentlassene, Drogensüchtige und Alkoholiker, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance haben, finden hier eine neue Perspektive. Der forstwirtschaftliche Begriff Läuterungsmaßnahme mag hier also noch eine andere Bedeutung bekommen. „Viele ziehen nach der Schicht ihre orange-grüne Arbeitskleidung nicht aus, tragen sie sogar stolz, wenn sie Schwebebahn fahren. So können sie für alle sichtbar zeigen, dass sie arbeiten gehen“, berichtet Silke Angenendt. In den kleinen Gruppen, die im Wald arbeiten, herrsche ein solidarisches Klima. „Die Leute achten aufeinander, und so kommen auch Menschen mit den Aufgaben klar, die zuvor völlig vereinsamt waren.“ Leider sind die Maßnahmen, die von der Arbeitsverwaltung bezuschusst werden, immer zeitlich begrenzt. „Wer bei uns aufhören muss, fällt oft erst einmal wieder in ein großes Loch“, gibt die Sozialarbeiterin unumwunden zu. Manche fragen an ihrem letzten Arbeitstag schon, wann sie denn wiederkommen können. Insgesamt beschäftigt die GESA knapp 60 Ein-Euro-Jobber. Früher waren es mehr als doppelt so viele. Aber das Bundesarbeitsministerium steckt nicht mehr so viel Geld in die Förderung von Menschen, die dem ersten Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Ein-Euro-Jobs sind unpopulär geworden.
Der Bedarf an Brennholz steigt indes rapide. Die GESA kauft inzwischen schon Holz dazu, um den Wünschen der Kunden gerecht zu werden. Immer mehr öffentliche Gebäude werden mit dem kostengünstigen Brennstoff beheizt. Aber auch private Hausbesitzer steigen auf Holz um. Holger Stockhaus – inzwischen selbst begeisterter Holzheizer – zahlte früher jährlich etwa 2.000 Euro für Heizöl. Jetzt muss er etwa 250 Euro für Holz einrechnen. Selbst wenn man einen höheren Anschaffungspreis für die Anlage und höhere Wartungskosten berücksichtigt, amortisiert sich der Wechsel in fünf bis zehn Jahren. Stadtwerke bieten inzwischen für Menschen, die den bürokratischen Aufwand scheuen, ein Contracting an. Der Hausbesitzer stellt einen Kellerraum und einen Kamin zur Verfügung, die Stadtwerke kümmern sich um den laufenden Betrieb. Die Wärme erhält der Hausbesitzer im Gegenzug zu einem günstigen Festpreis. Einziger Nachteil: Die hochmoderne Anlage im Keller erspart auch das gemütliche Kaminfeuer.
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