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Flora Li als der kleine schwarze Fisch, von dem die Erwachsenen lernen sollen
Foto: Uwe Schinkel

Wenn der Fisch ein Messer hätt´

20. Dezember 2018

Glanzstoff zeigt das persische Märchen „Der kleine schwarze Fisch“ – Auftritt 01/19

Mühsam schleppt sich die alte Erzählerin über die leere Bühne im Wuppertaler Theater am Engelsgarten. Langsam, ganz langsam kommt der große Ohrensessel näher. Hinter sich zieht sie eine lange Flosse, in beiden Händen das dicke Buch. Es dauert, sie stöhnt. Vögel zwitschern, es regnet, Töne schwirren durch den Raum. Die alte Fischoma (Nora Krohm) hat ihren Sessel erreicht. Schon das ist ein skurriler Gedanke, und neben der Bühne steht noch Melanie Bertermann und übersetzt das Geschehen in Gebärdensprache, obwohl noch kein Wort gesprochen wurde. Mich hat das tief beeindruckt und das ging noch weiter, denn „Ein kleiner schwarzer Fisch“ ist eine Produktion von Glanzstoff, der Wuppertaler Akademie der inklusiven Künste, die mit dem kommunalen Schauspielhaus kooperieren, und das nicht zum ersten Mal. Zurück zur Bühne, wo der kleine schwarze Fisch (Flora Li) mit seiner Mutter (Andrea Lück) diskutiert, wieso er nicht auf große Reise schwimmen darf und dass der Bach nicht alles sein kann. „And day by day you play the game or you walk away.“

Bardia Rousta
Foto: Uwe Schinkel
ZUR PERSON
Regisseur Bardia Rousta
arbeitet als Theaterpädagoge integrativ und inklusiv mit Menschen mit Behinderung, etwa beim SKFM Solingen oder an der Kattwinkelschen Fabrik, und lehrt Schauspiel u.a. an der Glanzstoff – Akademie der Inklusiven Künste.

Eine Zeile Sugarbabes beschreibt wohl, wie sich der kleine schwarze Fisch da im engen Wasserlauf fühlen muss. Alle anderen beschwören ihn, dass diese Welt die ganze Welt sei und außerhalb nichts mehr existiere. Das Stück nach einem Kinderbuch des persischen Autors Samad Behranghi, das zur Schah-Zeit im Iran als vermeintliche politische Allegorie verboten war, ist heute ein Renner unter Theaterpädagogen weltweit. Es braucht kaum Requisiten und lässt sich wunderbar mit Musik und Tanz verbinden. So hat das Regisseur Bardia Rousta in Wuppertal auch geschafft. Insbesondere Sarah Prinz, die Kostüme und Maske für die Inszenierung gemacht hat, muss hier besonders genannt werden. Das gute Dutzend irrer ausgefallener Kostüme mit Fischattitüde tragen die Last der visuellen Darstellung des kurzen Märchens mühelos und scheinen dennoch nicht schwer geworden zu sein, müssen sie doch auch den unterschiedlichen Handicaps der Schauspieler entgegenkommen.

Und da sind wir noch einmal bei Glanzstoff, beim ideellen Träger dieses bunt schillernden Unterwasser-Theaterabends, der Darsteller mit und ohne Behinderung auf einer Bühne vereinen will. Eine Idee, die auch Schauspielintendant Thomas Braus teilt, der die Gesellschaft ja in allen seinen Facetten abbilden will. Und da trifft sich das Theater mit dem Wuppertaler Verein für inklusive Künste, der Nachwuchsdarsteller*innen eine professionelle Ausbildung anbietet. Die dauert drei Jahre und eine Inszenierung wird immer besonders für die Bühne am Engelsgarten geprobt.

Zurück zum kleinen schwarzen Fisch. Der ist inzwischen unterwegs zu dem Ort, an den alle Bäche und Flüsse fließen und trifft unterwegs viele neue Freunde und Feinde. Doch die gute Eidechse gibt dem Fisch einen Dolch, um sich zu verteidigen. Im Meer rettet er so seine Freunde vor dem bösen Kormoran und ist verschollen. Bardia Rousta inszeniert sein überaus spielfreudiges Ensemble mit viel Bewegung und Choreografie auf der Bühne. Stillstand gibt es nicht, selbst bei den Gesangs- und Musikeinlagen (live: Svea Kirschmeier) scheint das Wasser zu schwappen. Oder waren das die Kaulquappen? 

„Der kleine schwarze Fisch“ | R: Bardia Rousta | Theater am Engelsgarten | www.wirsindglanzstoff.de

PETER ORTMANN

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