150 Jahre wäre die in Elberfeld geborene Künstlerin Else Lasker-Schüler dieses Jahr alt geworden. Den Auftakt zum großen Jubiläum machen zwei Ausstellungen, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem Thema der verfolgten Künste auseinander setzen.
Die Israelin Dana Arieli nimmt in ihrer Arbeit „Das Nazi Phantom“ Spuren der NS-Ideologie in den Fokus. Seit Jahren fotografiert sie Orte, an denen immer noch im Dritten Reich errichtete Gebäude zu sehen sind, Geister dieser Zeit durch Ruinen wandern oder heute als Besuchsstätte dienen. Der Umgang mit den Schatten der Vergangenheit ist dabei vielfältig: Zerstörung, Neubau oder Aufarbeitung. Für diese Ausstellung war sie in NRW unterwegs, speziell in Solingen, wo sie unter anderem das Geburtshaus von Adolf Eichmann in ihren Bildern wieder in Erinnerung brachte.
Kianoush Ramezani weiß selbst am besten, dass „verfolgte Kunst“ nicht nur ein Relikt der Vergangenheit ist. Der iranische Künstler kritisierte in Demonstrationen und Zeichnungen das offensichtlich gefälschte Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl – und geriet zunehmend ins Visier der Machthaber. Seit 2009 lebt und arbeitet er nun im Exil in Paris.
Zur Ausstellungseröffnung waren nicht nur beide Künstler anwesend, sondern auch hochkarätiges Publikum – unter anderem die ehemalige NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann – welches gespannt den Beiträgen lauschte. So wurde immer wieder die Bedeutung des Zentrums für das kollektive, gesellschaftliche Gedächtnis betont und die Aufgabe von Kultur-Schaffenden und –Vermittelnden, sich auch bei zeitgenössischen Entwicklungen mit Mut und Scharfsinn zu positionieren. So wie Dana Arieli, die sich als Historikerin und als Künstlerin ihr Leben lang mit dem Thema beschäftigt hat: „ Kunst muss der Gesellschaft verpflichtet und der Konstruktion eines neuen Gedächtnisses gewidmet sein.“ Zum Schluss ihrer Rede wandte sie sich noch einmal anerkennend an ihre Künstler-Kollegen: „Ihr seid eine Stimme für all diejenigen, die leiden.“ Denn nicht nur Kianoush, auch Talal Nayer, der aus dem Sudan fliehen musste und das Zentrum für verfolgte Künste seit letztem Jahr unterstützt, bringen in ihren Cartoons Aspekte zur Sprache, die in der gesellschaftlichen Wahrnehmung gerne mal verdrängt werden. Sei es die zunehmend eingeschränkte Meinungsfreiheit im Iran oder auch Europas Haltung im Zuge der Flüchtlingsthematik. Eine Zeichnung greift das Bild des gestrandeten Jungen auf – Europa in Gestalt eines Krokodils vergießt bittere Tränen. „Es gab eine gewaltige mediale Betroffenheit“, so der Künstler. „Aber wirklich passiert ist danach nichts.“ Kianoush sieht sich als politischer Cartoonist: Eine Aufgabe, die hier in Europa noch einmal einen ganz neuen Wendepunkt erfahren hat. „Nach Charlie Hebdo wusste ich: Auch in Paris bin ich nicht sicher. Es gibt keinen Schutz. Danach habe ich mich viel verantwortlicher gefühlt und meine Arbeit hatte nun einen tieferen Sinn.“ Die Macht der Worte, die Befreiung der iranischen Frau und die Potenziale und Risiken der sozialen Medien sind dabei Leitmotive der Ausstellung. Die Bilder regen zum Nachdenken an und zum Schmunzeln – wenn auch das Lachen im Hals stecken bleibt. Es sind Formen des Widerstands – vor allem eines Widerstands gegen das Vergessen, wie Talal Nayer betont. Denn sie zwingen den/die BetrachterIn zur Auseinandersetzung mit dem Gezeigten.
Die Cartoons von Kianoush tragen keine Titel und ermöglichen den BetrachterInnen so einen persönlichen Interpretationsansatz. Dana Arielis Photographien laden hingegen mit QR-Code zu einer Kommentarfunktion und dem Austausch mit anderen ein. Beide Künstler verdeutlichen noch einmal: Die Kunst selbst spricht eine universelle Sprache, die alle Menschen verstehen und die oft zum Ausdruck bringen kann, was Worte nicht vermögen. Umso bedeutsamer erscheint erneut die Mission des Zentrums angesichts einer bedrohten Kunstfreiheit – gestern wie heute.
Doppelausstellung: „Das Nazi Phantom“ und „R like Resistance“ | 20.1. – 3.3.2019, Di-So, 10-17 Uhr, Öffentliche Führungen jeden Sonntag 14.30 Uhr | www.verfolgte-kuenste.de
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