Diese Berichterstattung boten weder öffentliche, noch private Medien an. Der Filmstudent Stefan Meyn dokumentierte in schwindelerregenden Höhen den Kampf um den Hambacher Forst. In den Tumulten rund um den Polizeieinsatz bezahlte Meyn diesen Einsatz mit seinem Leben. Der Blogger gehörte zum Zusammenschluss PresseNetz, das auf Twitter und YouTube über den Protest berichtete.
Das Netzwerk reiht sich in einen Trend ein: Um zivilgesellschaftliche Bewegungen zu begleiten oder kritische Stimmen in die Öffentlichkeit einzubringen, finden sich JournalistInnen oder KünstlerInnen zusammen. Ein populäres Vorbild: Wu Ming, ein italienisches AutorInnen-Kollektiv, das nicht nur utopische Romane wie „Q“ veröffentlichte. Besonders in der ersten Welle der Antiglobalisierungsbewegung Anfang der 90er verknüpfte Luther Blisset, so der alte Kollektivname, das Schreiben mit einer Kommunikationsguerilla. Die kollektive Identität blies damit schon im Selbstverständnis zum Angriff auf das bürgerliches Ideal eines engagierten, aber vereinzelten Citoyen.
Die kollektive Kunstproduktion blickt auch in Deutschland auf eine lange Tradition zurück. Seit wann genau, darüber können sich MedienhistorikerInnen oder LiteraturwissenschaftlerInnen streiten: Waren Schillers und Goethes humanistische Publikationsprojekte der Startschuss? Oder etwa die linken Künstler, die Brecht Anfang der 30er für den kommunistischen Film „Kuhle Wampe“ zusammentrommelte?
Heute mischt in Deutschland eine bunte Landschaft in der Öffentlichkeit mit: Das Filmkollektiv leftvision richtete seine Kameras etwa im Sommer 2017 auf die Straßenkämpfe, die rund um G20 in Hamburg entbrannten. Ein Jahr später feierte der Dokumentarfilm „Hamburger Gitter“ in den Kinos Premiere. Das Ergebnis: keine platten Agit-Prop-Bilder, die FilmemacherInnen präsentierten bisher unbekannte und ästhetisch überzeugende Aufnahmen und ließen JuristInnen oder AktivistInnen kritisch zu Wort kommen. Seit 1997 arbeiten KünstlerInnen im Freien Sender Kombinat oder in der Gruppe Ligna zusammen. Letztere begreift etwa das Publikum als „zerstreutes Kollektiv von ProduzentInnen“. Sie alle gehören zur vielfältigen Welt der demokratischen Gegenöffentlichkeit.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/138267/protest-und-beteiligung | Eine Sammelschrift zu Konzept und Praxis des zivilen Ungehorsams bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
sea-shepherd.de | Die militanten Walschützer sind umstritten, die Ziele, für die sie eintreten, werden von vielen geteilt. Hier informieren sie über ihre Aktionen auf hoher See.
institut-fuer-menschenrechte.de | Für Menschenrechte einstehen – in vielen Ländern bedeutet das Gefahr für Leib und Leben. Das IfM setzt sich als unabhängige Stelle für Einhaltung und Förderung von Menschenrecht-Standards ein.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Rollende Steine
Intro – Wort oder Waffe
Die Kunst des Illegalen
Politische Aktion auf Bühne und Straße
Wenn Worte vergewaltigen
Macht und Ohnmacht der Jugendsprache
„Radikale Forderungen. Friedlicher Protest“
Menschenrechtsaktivistin Linda Poppe über legitimen Widerstand und den Hambacher Forst
Widerstand gestern und heute
Gedenken und Erforschung sozialer Bewegungen im Bergischen
Die Friedensförderer
Österreich unterstützt humanitäre Hilfe weltweit
Kulturschock
Intro – Kunst & Kultur
Der Kulturkampfminister
Teil 1: Leitartikel – Wie Wolfram Weimer sein Amt versteht
„Kultur muss raus ins Getümmel“
Teil 1: Interview – Philosoph Julian Nida-Rümelin über Cancel Culture und Demokratie
Querschnitt der Gesellschaft
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kulturbüro Wuppertal als Partner der freien Szene
Inspiration für alle
Teil 2: Leitartikel – Wer Kunst und Kultur beschneidet, raubt der Gesellschaft entscheidende Entwicklungschancen
„Mich hat die Kunst gerettet“
Teil 2: Interview – Der Direktor des Kölner Museum Ludwig über die gesellschaftliche Rolle von Museen
Kultur am Kipppunkt
Teil 2: Lokale Initiativen – Bruno Wenn vom Kölner Kulturrat über die Lage der städtischen Kulturhäuser
Unbezahlbare Autonomie
Teil 3: Leitartikel – Die freie Theaterszene ist wirtschaftlich und ideologisch bedroht
„Ich glaube schon, dass laut zu werden Sinn macht“
Teil 3: Interview – Freie Szene: Die Geschäftsführerin des NRW Landesbüros für Freie Darstellende Künste über Förderkürzungen
Zwischen Bar und Bühne
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend
Die Kunstinitiative OFF-Biennale
Wer hat Angst vor Kunst? – Europa-Vorbild: Ungarn
Was hat Kultur denn gebracht?
Eine Erinnerung an Nebensächliches – Glosse
Branchenprobleme
Intro – Gut informiert
Journalismus im Teufelskreis
Teil 1: Leitartikel – Wie die Presse sich selbst auffrisst
„Nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern“
Teil 1: Interview – Der Geschäftsführer des DJV-NRW über die wirtschaftliche Krise des Journalismus
Pakt mit dem Fakt
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Teuer errungen
Teil 2: Leitartikel – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss bleiben – und besser werden
„Die Sender sind immer politisch beeinflusst“
Teil 2: Interview – Medienforscher Christoph Classen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Aus den Regionen
Teil 2: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln