Mina Richmans Stimme platzt vor Ähnlichkeiten mit Sängerin Amy Winehouse – und ist doch ihre ureigene. Vor einem Jahr spielte sie mit ihrer Band in Düsseldorf, auf der Seebühne am Schwanenspiegel. Dort trieb die Bühne nah am Ufer, ab und zu flog ein Reiher drüber, später zog der Vollmond auf. Dass Mina Richman, bürgerlich Mina Schelpmeier, aus Ostwestfalen stammt, auf Lehramt studiert und vieles mehr, erfuhr man in ihren mäandernden, witzigen Zwischenmoderationen. Als sie gegen Ende des Sets ihr viral gegangenes Lied „Baba Said“ ankündigte, wurde sie ernst: Das Lied widmete sie Jina Mahsa Amini, die 2022 vom iranischen Regime ermordet wurde. Sie trug kein Kopftuch. So lange werde sie das Lied spielen, bis das Regime gestürzt ist, sagte Richman.
„Baba Said“ findet sich auf dem Debütalbum „Grown Up“ aus dem Vorjahr. Wie der Titel erahnen lässt, geht es um den Mut, den es braucht, selbstbestimmt seinen Weg und seine Identität zu finden – und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin. Im Video zum Eröffnungssong „Nearly to the End“ gibt es diese Szene: Zwei Frauen gehen Hand in Hand auf einem Bürgersteig, als ihnen ein Passant entgegenkommt – und auch nicht zur Seite geht. Eine der beiden macht ihm Platz, vorher löst sie schnell ihre Hand. Sie ist noch nicht soweit. Bei der Oma schließlich outet sie sich, ein Schritt, den das Video mit dem ersten Sprung vom 5-Meter-Brett vergleicht. Natürlich verarbeitet Richman hier auch ihre eigene Identitätsfindung als queere Deutsch-Iranerin aus der ostwestfälischen Provinz.
Der Songzyklus endet mit der Ballade „The Woman I Am Now“. Egal, was war, wenigstens habe ich gelebt und geliebt, alles zusammen hat mich zu der Frau werden lassen, die ich bin – Stand 2023. Für dieses Empowerment findet Richman ihre musikalische Sprache: kraftvoll, tanzbar, nicht festlegbar auf ein Genre, sich bedienend bei Soul, Pop, Rock, Folk und Rap. Die im März erschienene EP „Past 25“ (Richman ist keine 25 mehr) führt diese Bestandsaufnahme mit fünf neuen, lebensprallen Liedern fort.
Im Vorprogramm für ihren Auftritt bei den Stadtgartenkonzerten am Alten Zoll in Bonn spielt die Bochumer Pop-Rap-Band Figur Lemur. Wenn sie wieder ins Erzählen gerät, wird Mina Richman sicher auch verraten, wie sie auf ihren Künstlernamen kam. Und was eine gewisse Cher damit zu tun hat.
Mina Richman | Sa 16.8., 19 Uhr | Stadtgarten am Alten Zoll, Bonn | www.bonn.de
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