Es war ein Höhepunkt dieses Abends: In der Kunst- und Museumsnacht zeigte Alice Musiol in der Galerie von Jürgen Grölle eine Folge von Dias, begleitet von Klaviermusik von Chopin. Im Wechsel mit getippten Kapitelüberschriften waren in chronologischer Reihung Fotografien aus ihrer Vita zu sehen, zur Geburt 1971 in Kattowitz und der Übersiedlung der Familie in den Westen, zu den häufigen Schulwechseln und den Umwegen hin zum Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, welches sie in der Klasse von A.R. Penck abgeschlossen hat.
Längst ist Alice Musiol im Kunstgeschehen angekommen. Aber die Prägungen, neuralgischen Punkte, die ihre Biographie von klein auf kennzeichnen, beschäftigen sie in ihrem Werk auch heute. Thema ihrer künstlerischen Arbeit, die keine künstlerische Gattung ausschließt und mit handwerklichem Vermögen einhergeht, ist die Suche nach Identität, die persönliche Erinnerung und die Gegenwart in der Auseinandersetzung mit den Vorstellungen von Heimat und einem Angekommen-Sein. Die Motive dazu umschreiben Behausung und Ruhestätte, betreffen auch die Kleidung, entsprechend umgesetzt mit weichen Materialien, mitunter auch in Stickereien und mit ornamentalen Verläufen. Im Zentrum der Wuppertaler Ausstellung steht ein Bett mit einem Stoffbezug in farbiger Zeichnung. Abwesenheit und Schwerelosigkeit, Genauigkeit und Intimität treffen in solche Arbeiten zusammen und tragen noch etwas Allgemeingültiges. Kunst transzendiert hier die private Existenz im tagtäglichen Leben, eingefangen zwischen Ruhe und flüchtigem Zustand.
Vor kurzem fand eine Ausstellung mit den Werken von Alice Musiol im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen und in der Städtischen Galerie Remscheid statt. Mit diesen institutionellen Schauen kann die Ausstellung bei Grölle pass:projects nicht mithalten, dafür ist sie zu sehr Stückwerk unterschiedlicher Arbeiten aus einem Jahrzehnt. Aber vielleicht war es die Idee der guten Künstlerin und des engagierten Galeristen, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und im Disparaten die zentralen Gedanken anzureißen. Und dann gibt es in der Galerie noch Tuschezeichnungen in großer Intensität und Verdichtung zu sehen, die Bildräume öffnen und einen ganz eigenen traumwandlerischen Ton anschlagen. Dafür lohnt sich der Besuch der Ausstellung.
Alice Musiol: Solo, bis 9. Juli bei GRÖLLE pass:projects, www.passprojects.com
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus der Distanz ganz nah
Bert Didillon und Hanna Kuster bei den Grölle pass:projects in Wuppertal – Kunst in NRW 03/21
Abstraktion und ihre Farben
Julio Rondo in der Galerie von Jürgen Grölle – kunst & gut 11/18
Geschichten von Oberflächen
Bert Didillon in den Grölle pass:projects in Elberfeld – kunst & gut 04/17
Oberflächen und ihre Geschichte
Die thematische Ausstellung „Heimatplan“ in der Galerie pass:projects – kunst & gut 03/16
Himmel und Erde
Klaus-Martin Treder bei den Grölle pass:projects – kunst & gut 01/16
Von heute und andernorts
Friederike Ruff bei Jürgen Grölle – kunst & gut 08/15
Wuchern im Raum
Wolfgang Flad bei den Grölle:pass_projects – Wupperkunst 03/13
In der Spur
Jürgen Grölle zeigt neuere Bilder von Klaus-Martin Treder - Kunst 06/12
Zwei, die genau hinschauen
Bert Didillon und Carl Hager bei GRÖLLE pass:projects - Wupperkunst 03/12
„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24
Bodenständig dynamisch
Anthony Caro im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/24
Vom Kleinsten und Größten
„Size matters“ im Kunstpalast Düsseldorf – kunst & gut 03/24
„Er hat sehr feinsinnige Arbeiten erschaffen“
Kunsthistorikerin Anna Storm über die Ausstellung zu Lothar Baumgarten im VdH-Museum – Interview 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – kunst & gut 02/24
„Die Berührung impliziert eine Verbindung zum Objekt“
Generaldirektor Felix Krämer kuratiert „Tony Cragg: Please Touch!“ im Kunstpalast Düsseldorf – Interview 02/24
Unergründliche Dingwelt
Erinna König im Wuppertaler Von der Heydt-Museum – kunst & gut 01/24
„Abstrakte Kunst ist keine Reproduktion der Wirklichkeit“
Kuratorin Beate Eickhoff über „Nicht viel zu sehen“ im VdH-Museum – Interview 01/24
Licht-Spiegel-Maschinen
Mischa Kuball im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 12/23
Großmeister im Dialog
Picasso und Beckmann im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 11/23
In ganz neuem Licht
Mischa Kuball im Skulpturenpark Waldfrieden – Kunst 10/23
14 aus 51
Jubiläumausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden – Kunst 09/23
Bildzeichen zur Zeit
Johannes Wohnseifer im Neuen Kunstverein Wuppertal – kunst & gut 09/23
„Picasso und Beckmann standen im Zentrum der Debatte über Malerei“
Direktor Roland Mönig über die neue Ausstellung im Von der Heydt-Museum – Sammlung 09/23
Clemens Weiss im Osthaus Museum
„Green Bridge. Skulpturen“ in Hagen – kunst & gut 08/23
Bella Figura
„Figur!“ im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 07/23