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Florian Franke
Foto: Jan Turek

„Es ist eine unglaublich schwierige Zeit“

13. Mai 2020

Singer-Songwriter Florian Franke über seine Musik und Corona – Interview 05/20

engels: Hallo Florian, kannst du kurz deinen musikalischen Werdegang beschreiben?
Florian Franke: Ich habe relativ früh angefangen, Musik zu machen. Als kleiner Stöpsel habe ich mich ans Klavier gesetzt und habe auch angefangen, zu singen. So kam ich zur Kurrende und habe bis zum Stimmbruch durchgehend Klavier-, Gitarren- und Gesangsunterricht gehabt. Dann wollte ich rebellieren, habe angefangen, Rockmusik zu machen und die Schülerband Crushhour gegründet. Wir haben damals sogar den deutschen Rock- und Pop-Preis gewonnen. Nach dem Abi hatte ich dann die Möglichkeit, als Hotelpianist und Hotelsänger meine Brötchen zu verdienen. Ich habe dann in Hotel-Lounges Jazz am Flügel gespielt und gesungen. Über Umwege bin ich dann nach Hamburg gekommen und habe dort als Studiosänger für große Produktionen gearbeitet. Die haben von „Deutschland sucht den Superstar“ bis AC/DC alles gemacht. Dort durfte ich super viel lernen. Anschließend habe ich in Mannheim Musik studiert.

Musik studiert zu haben, ist eher die Ausnahme in der Rock- und Popszene, oder?
Man vertut sich tatsächlich. Ich habe damals Mannheim gewählt, weil Mannheim die einzige Hochschule war, die staatlich schon Pop- und Jazzmusik angeboten hat. Das war ein Leuchtturmprojekt in Baden-Württemberg. Und viele meiner Kommilitonen sind relativ bekannt. Ich habe mit Joris und Alice Merton studiert. Die Bands von Max Giesinger und von Tim Bendzko: Das ist eigentlich alles ein Umfeld. Es gibt schon viele Leute im Musikbusiness, die eine fundierte Ausbildung haben. Und Mannheim hatte da in Deutschland so etwas wie eine Vorreiterrolle.

Wie ging es nach dem Studium weiter?
Ich habe einen großen Plattenvertrag unterschrieben. Das war aber so ziemlich das Dümmste, was ich je gemacht hab. Zu der Zeit stand ich dann vor der Frage, ob ich in Mannheim bleibe, oder nach Berlin oder Köln gehe, wo die Musikindustrie ist. Ich habe mich aber für Wuppertal entschieden, weil hier meine Freunde und meine Familie sind. Dadurch habe ich viele Kontakte aus dem Musikumfeld verloren. Aber ich habe es kein Stück bereut.

Was war so schlimm an dem Vertrag?
Es war ein Vertrag bei einem der großen Major-Labels. Es war ein großes Pop-Projekt, das aufwändig in München produziert wurde und es waren viele coole Leute involviert. Aber es kam letztendlich niemals raus. Du sitzt dann mit dieser Ungewissheit da: „Was passiert jetzt? Geht es jetzt los, oder nicht?“ Da spielt auch wahnsinnig viel Politik innerhalb eines Labels eine Rolle. Der A&R, der uns damals betreut hat, hat zu der Zeit auch eine andere große Platte rausgebracht, die aber gefloppt ist. Die A&Rs werden gerankt: Wenn die Verkaufszahlen des jeweiligen Managers nicht stimmen, dann sinkt er im internen Ranking der Plattenfirma und hat dann Angst, Newcomer rauszubringen. Er hat sich dann also entschieden, nicht unsere, sondern eine andere Platte von einem bekannten Künstler zu machen, um seine Zahlen aufzubessern. Es war eine wilde Zeit.

Du hast deine Wuppertaler Herkunft ja auch schon mehrfach in deiner Musik thematisiert, etwa in dem Projekt „Talgold“. Und du hast mal eine Hymne für den WSV geschrieben. Bist du ein Lokalpatriot?
Ich tue mich etwas schwer mit dem Patriotismus-Begriff, weil ich finde, dass der in den letzten Jahren ein ganz komisches Kolorit hat und man da aufpassen muss. Patriotismus finde ich manchmal schon strange. Ich mag die Region hier unheimlich gerne und bin gerne hier.

Was ist dein Eindruck von der Wuppertaler Musikszene?
Die ist größer als man denkt. Es gibt hier unfassbar viele tolle kreative Leute wie Horst Wegener oder Jan Röttger. Die machen alle fantastische Musik. Ich finde es sehr cool, dass hier so viele Leute wahnsinnig geile Sachen auf die Beine stellen, obwohl die Stadt nicht so viele kulturelle Mittel zur Verfügung stellt. Das finde ich sehr beeindruckend.

Warum singst du eigentlich auf Deutsch?
Zuerst habe ich auf Englisch geschrieben. Ich glaube, dass das damals eine Schutzreaktion war, weil es eine krasse Offenbarung ist, auf Deutsch zu singen: Jeder versteht sofort, was ich sagen möchte. Das war erst mal eine große Überwindung. Als ich mich das dann zum ersten Mal getraut habe, war das wie eine Befreiung.

Dein aktuelles Album „Mond“ klingt gefühlvoll, melancholisch und trotzdem optimistisch. Es geht darin viel um Beziehungen. Fließt viel Persönliches in deine Musik mit ein?
Auf jeden Fall. Das Album ist zu einer Zeit entstanden, in der viel bei mir passiert ist. Ich schreibe sehr autobiografisch: Ich versuche, das zu schreiben, was mir auf der Seele liegt – ein bisschen therapiemäßig. Ich finde, wenn man einen Song schreibt, muss man auch etwas zu erzählen haben.

Inhaltlich interessant ist auch der sozialkritischere Song „Schöne neue Welt“.
Da geht es ja um Digitalisierung. Das ist ein Thema, das zwar eine gesellschaftliche Relevanz hat, mich aber auch persönlich berührt. Meine Eltern haben eine kleine Parfümerie und haben mit Amazon zu kämpfen. Und natürlich betrifft die Digitalisierung auch die Musikbranche. Eigentlich ist es total bescheuert, heutzutage noch ein Album herauszubringen. Die Auswertung von Musik findet nur noch über Streaming-Plattformen statt und die meisten Leute hören kein Album mehr am Stück. Ich finde, dass mehr Künstler Haltung zeigen sollten.

Am 18.9. kommt dein neues Album „Rosa Elefanten“ raus. Was kannst du darüber sagen?
Das Album wird auf jeden Fall mein bisher mit Abstand größtes Projekt. Ich arbeite seit fast zwei Jahren daran. Die erste Aufnahmesession war im letzten Juni. Seitdem arbeiten wir non-stop daran. Wir machen es so, dass wir alle Songs live einspielen und zwar in unterschiedlichen Studios in ganz Deutschland. Wir haben verschiedene Recording-Sessions. Und es wird ein cross-mediales Projekt. Jede Session wird mit Kamerateam und Fotograf begleitet. Das ist wahnsinnig aufwändig, weil wir alles zeitgleich aufnehmen. Und das hat Unmengen an Geld und Energie verschlungen. Diese Platte wird außerdem im Eigenvertrieb laufen – ohne Plattenfirma oder große Geldgeber. Ich habe das Album aus meinen Einnahmen der letzten Jahre finanziert, deshalb ist es ein riesiges Risiko für mich. Es ist aber etwas, wo ich am Ende sehr, sehr stolz drauf bin und was es auf dem deutschen Markt so kaum noch gibt. Eigentlich lohnt sich so ein aufwändiges Projekt nicht mehr. Allein logistisch ist es unheimlich anspruchsvoll, ein Schlagzeug, einen Flügel und einen Bass in einen Raum zu kriegen und trotzdem noch einen sehr sauberen Klang hinzukriegen. Das wird ein sehr besonderes Album. Ich freue mich wahnsinnig drauf.

Du hast eben von „wir“ gesprochen. Wer ist das? Ist Florian Franke eine Band?
Ich rede nicht in der dritten Person von mir. (lacht) Ich habe mittlerweile ein Riesenteam um mich herum aufgebaut, ohne das das gar nicht möglich wäre. Wir sind zu sechst. Die einzigen Leute, die wechseln, sind die Kamerateams und die Fotografen. Ein Ziel ist es, das, was wir live bringen, auf die Platte zu bannen.

Für gewöhnlich spielen Bands für Alben nacheinander ihre Instrumente ein und die Tonspuren werden hinterher zusammengefügt. Wenn ihr alles gemeinsam einspielt, dürfte alles untrennbar miteinander verbunden sein. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?
Das ist ein Nachteil aber auch ein Vorteil. Du spielst ganz anders zusammen, wenn du zeitgleich aufnimmst. Bass und Schlagzeug sind so eine krasse Einheit auf der Platte. So kann sich auch eine Energie in einem Raum entwickeln. Klanglich ist das eine Riesenherausforderung. Pro Song hatten wir immer so 14-15 Takes bis wir gesagt haben „Das ist es, den nehmen wir“. Ich glaube, dass es sich letztendlich lohnt, weil die Aufnahme wahnsinnig energievoll ist.

Inwiefern wird dein Sound auf dem neuen Album sonst noch ein anderer sein?
Es wird eher soulig-jazzig und klingt teilweise etwas old-school. Wir haben viele Jazz-Elemente, die wir mit Hip-Hop-Elementen kreuzen. Wir haben sehr groovige Sachen. Aber wir haben auch nach wie vor Stücke, die ich alleine am Flügel spiele. Auf der Platte gibt es keine gesampleten Sounds. Alles sind echte Instrumente. Die einzelnen Sessions unterscheiden sich auch klanglich stark voneinander.

Und worum drehen sich die Texte?
Das ist auch sehr unterschiedlich. Es dreht sich um Themen, die ich nach „Mond“, über die letzten zwei Jahre gesammelt habe. Ich schreibe sehr situativ. Anfang letzten Jahres hatte ich eine Phase, in der ich mich sehr stark mit Scheitern und Aufgeben beschäftigt hab. Manchmal hat man das Gefühl, dass man kämpft und kämpft, aber nicht vorankommt. Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Ein Song heißt darum auch Don Quichotte. Es wird auch einen Song geben, der sich mit dem Thema Geld auseinandersetzt. In den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass Geld ein unheimlich großer Antrieb ist – aber oft ein falscher Antrieb. Man wird davon getrieben, dass man Geld verdienen muss. Aber vielleicht trifft man dann nicht die besten Entscheidungen. Mich stört es massiv, dass ich es bei mir selbst zulasse, mich aus finanziellen Gründen anders zu entscheiden, als ich es eigentlich gern würde. Als Kind ist dir das alles völlig egal. Aber je älter du wirst, desto schwieriger wird es, diesem Thema aus dem Weg zu gehen. Das frustriert mich. Es gibt aber auch nach wie vor sehr persönliche Themen. Eine Liebesballade ist drauf, die sehr spontan entstanden ist. Es wird sehr variantenreich.

Foto: Jan Turek

Du hast nach der Veröffentlichung des Albums eine große Tour geplant. Momentan werden aber noch Konzerte abgesagt. Wie wirkt sich nun die Corona-Krise auf dich aus?
Es ist so, dass alle Veranstaltungen – also nicht nur die Konzerte, sondern auch die privaten Veranstaltungen davon betroffen sind. Das macht sich im Einkommen extrem bemerkbar. Ich habe nichts mehr, womit ich wirklich Geld generieren kann. Das tut schon weh. Normalerweise verdiene ich meinen Lebensunterhalt mit Konzerten oder Auftritten, etwa auf Hochzeiten. Das alles fällt im Moment weg und hinterlässt eine Riesenlücke. Dazu kommt, dass du, wenn du ein Konzert gibst, GEMA-Einnahmen generierst, die im nächsten Jahr ausgeschüttet werden. Die Folgen von Corona wird man also auch noch im nächsten Jahr spüren. Die Ausschüttungen kommen immer ein Jahr später. Das heißt, ich bekomme dieses Jahr die Ausschüttungen von meinem Live-Geschäft aus dem letzten Jahr, weiß jetzt aber jetzt schon, dass es im nächsten Jahr weniger Geld geben wird, weil die Veranstaltungen im momentan alle ausfallen. Ich befürchte auch, dass der Live-Markt brutal umkämpft sein wird, wenn es wieder losgeht: Alle Musiker wollen spielen und alle brauchen Geld. Das gilt auch für die Clubs. Ich befürchte, dass die dann eher größere, etabliertere Acts bevorzugen. Ich glaube, dass die Veranstaltungsbranche damit noch relativ lange zu kämpfen haben wird. Viele Veröffentlichungen, die für jetzt geplant waren, werden verschoben. Unser Plan ist ja, im September das Album rauszubringen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es dann – falls die Maßnahmen dann wieder gelockert sind – eine Flut von Releases geben wird und man aufpassen muss, dass man nicht untergeht.

Helfen denn die Hilfszahlungen?
Es ist gar nicht so leicht, an die Hilfszahlungen zu kommen, wie es oft angenommen wird. Die 9.000 Euro, die Soloselbstständigen zustehen, laufen an der Lebenswirklichkeit der Künstler vorbei. Dieser 9.000-Euro-Rettungsschirm ist dafür gedacht, dass man laufende Betriebskosten deckt. Als freischaffender Künstler ist es aber so, dass du keine hohen Betriebskosten hast. Du probst mal da, wo du lebst. Deine Miete und deine Krankenversicherung fallen aber nicht unter Betriebskosten. Da geht es nur darum, wenn du einen Proberaum angemietet hast oder Angestellte hast. Deshalb hilft das vielen Selbstständigen gar nicht groß. Ich nehme an, dass viele Künstler diese 9.000 Euro gar nicht so verwenden dürfen, wie sie jetzt ausgeschüttet werden. Die werden jetzt relativ schnell verteilt um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, was eine super Sache ist. Wenn ich es aber richtig verstanden habe, darfst du diese 9.000 Euro eigentlich nicht anfassen. Ich habe schon etwa 20.000 Euro in die Produktion gesteckt und es kommen noch etwa 10.000 Euro auf mich zu. Das sind aber alles Kosten, die ich nicht mit diesem Rettungsschirm bezahlen kann, weil es Einmalaufwendungen und keine laufenden Betriebskosten sind. Ich weiß noch nicht, wie mir das hilft.

Wie lautet deine Prognose zu deiner geplanten Tour?
Mal sehen, ob die Leute sich bis dahin wieder trauen, in Konzerte zu gehen. Ich bin gespannt, ob man am Kartenverkauf etwas merken wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Leute Veranstaltungen auf engem Raum erst mal meiden. Ich weiß nicht, wie die Leute reagieren. Die Situation wird in ein paar Wochen keine völlig andere sein. Die Veranstaltungsbranche wird noch lange mit der Situation zu kämpfen haben.

Du hast dich über die sozialen Medien an die Öffentlichkeit gewendet. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Ich war positiv überrascht über das Ausmaß an Solidarität, das mir in den letzten Tagen und Wochen entgegen geströmt ist. Ich habe das Album zum Vorverkauf freigegeben. Zum anderen habe ich über meine Website die Möglichkeit eröffnet, zu spenden, oder das Album zu einem höheren Betrag vorzubestellen. Was ich da gerade erlebt habe, ist unfassbar. Ich bin sprachlos und wahnsinnig dankbar. Es ist ein Geschenk, zu sehen, wie viele Leute für Kunst und Kultur sensibel sind. Es ist eine unglaublich schwierige Zeit aber es passieren auch unglaublich schöne Dinge gerade.

Interview: Jan Turek

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