Es kommt nicht alle Tage vor, dass Musik aus Lateinamerika in Deutschland im Rahmen von klassischen Sinfoniekonzerten erklingt. Als aber der Wegweiser Richtung Wuppertal zeigt, schwappen die Noten von drei modernen Werken über den Großen Teich auf die Pulte des Sinfonieorchesters Wuppertal im Großen Saal der Historischen Stadthalle. Es ist der in Venezuela geborene Dirigent Christian Vasquez, der damit hier debütiert und eine ausgezeichnete Visitenkarte abgibt.
Los geht es mit dem rund zehnminütigen „Danzón Nr. 2“ von Arturo Márquez aus Mexiko. Das 1994 entstandene Stück lebt von Rhythmen der Region, die die städtischen Sinfoniker munter zu Gehör bringen und dank des dynamischen Dirigats die Nummer mit festem Zugriff erklingen lassen.
Tänzelnd, packend
Diesem ausgelassenen Opener schließt sich die erst ein Jahr alte sechsteilige Rhapsodie für Klarinette und Orchester „Aurea“ an, vom 1981 in Venezuela geborenen Trompeter und Komponisten Pacho Flores. Hier ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass der spanische Klarinettist Juan Ferrer die südamerikanische Musik mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben scheint. Denn den klangfarbenreichen Reichtum inklusive der dazugehörenden Rhythmen von getragen bis hin zu beschwingt-tänzelnd bringt er mit seinen drei Klarinetten packend und ergreifend zum Ausdruck. Dabei interagieren streckenweise einige Bläser des Orchesters kongenial mit dem Solisten. Und der Dirigent sorgt für eine ausgewogene Begleitung der anderen Musiker.
Langsamer Tango
Der frenetische Beifall verlangt nach mehr. Solist und Orchester lassen sich also nicht zweimal bitten und bedanken sich dafür mit dem zum südamerikanischen Standard gewordenen „Oblivion“ aus dem Jahr 1982 aus der Feder des legendären Bandoneon-Spielers und Komponisten Astor Piazzolla (1921-1992). Selten zuvor hat man diesen langsamen Tango live derart lyrisch-ergreifend gehört.
Aus einem Guss
Nach dieser erstklassigen Vorstellung neuer lateinamerikanischer Musik geht es rund 140 Jahre zurück nach Frankreich, wo Camille Saint-Saëns im Auftrag der „Royal Romantic Society“ in London seine dritte Sinfonie in c-Moll schrieb. Bedeutend ist dieses Opus 78 deshalb, weil der Komponist die Königin der Instrumente als Orchesterinstrument behandelte, teils solistisch, teils als integrativer Bestandteil des Klangbilds. So entstand später der nicht vom Komponisten stammende Name „Orgelsinfonie“, der statt der Originalbezeichnung in aller Munde ist. Dieses eine Konzerthälfte ausfüllende Werk kommt wie aus einem Guss von der Bühne. Von der ersten bis zur letzten Note wird ein großer musikalischer Bogen gespannt. Ein ausgewogener Orchesterklang ist zuständig für eine differenzierte Nachzeichnung sämtlicher Strukturen mit einer klarern Gegenüberstellung von Haupt-, Neben- und Begleitstimmen. Fließende Dynamik- und Tempowechsel kommen unter dem Dirigat von Vasquez hinzu. So wird die Aufführung dieser imposanten romantischen Sinfonie als ein hochmusikalisches großes Ganzes packend erlebbar.
Das Publikum ist ganz aus dem Häuschen und spendet nicht enden wollenden stehenden Applaus.
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