Die Zukunft sogenannter „Wunderkinder“ wirkt häufig spannender als ein guter Krimi. Denn der künstlerischen Entwicklung besonders junger Talente wohnt ein mögliches Scheitern inne, meint, der Star-Status wird nicht erreicht. Sind die Früchte geerntet und der Star ist geboren, spricht die Gilde der Konzertveranstalter beim Zusammentreffen gleich mehrerer Ausnahmemusiker gern von einem „Gipfeltreffen“.
Im Oktober vereinen sich Anne-Sophie Mutter und Yo-Yo Ma zum Solistenterzett mit Daniel Barenboim, um das Geburtstagskind Ludwig van Beethoven in dessen „Tripelkonzert“ vor- und das 20-jährige Bestehen des sehr lebendig begleitenden West-Eastern Divan Orchestra ganz aktuell zu feiern. Geigerin Mutter debütierte in Salzburg mit 13 Jahren, ihr Mentor hieß Herbert von Karajan. Yo-Yo Ma trat nach vierjährigem Üben erstmals öffentlich mit 8 Jahren auf, sein Mentor hieß Leonard Bernstein. Pianist Barenboim debütierte mit 7 Jahren in Buenos Aires. Mit 11 Jahren dirigierte er in Salzburg. Damals nannte ihn Förderer Wilhelm Furtwängler, berühmtester Dirigent vor Karajan, „ein Phänomen“. Das war 1954.
Der Senior Barenboim ist in diesem Dreigestirn natürlich das absolute Schwergewicht, der „einzige Weltstar, den Berlin hat“, wie ein Berliner Bürgermeister gesagt haben soll. Entsprechend hat er seine Machtposition in der Hauptstadt gefestigt, und er ist auch politisch ein Strippenzieher vor dem Herrn. Selbst wirkt er als Hausherr seit 1992 in der Staatsoper Unter den Linden, der Wichtiges und mehr am liebsten selbst regelt. Kürzlich wurde ihm ein unangemessen diktatorischer Führungsstil vorgeworfen. Kurz darauf wurde sein Vertrag als GMD verlängert: Barenboim, Jahrgang 1942, wurde bis 2027 im Amt bestätigt.
Der argentinisch-israelische Musiker verkörpert den genialischen Maestro vom alten Schlag, mit großer Menschlichkeit und tollen Visionen. Gemeinsam mit einem palästinensischen Literaturwissenschaftler gründete er 1999 in Weimar ein Orchester, in dem junge Musiker aus Palästina, Israel und verschiedenen Staaten des Nahen Ostens saßen und musizierten – Dialog ohne Grenzen. Goethes „West-östlicher Divan“ lieferte den Namen für dieses einzigartige Ensemble, das jetzt in Köln – nach häufigen Kontakten zum Werk Richard Wagners – ein ebenfalls sehr westlich geprägtes Werk nachlegen wird. Bruckners 9. Sinfonie hat der Komponist „dem lieben Gott“ gewidmet.
20 Jahre West-Eastern Divan Orchestra | Sa 19.10. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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