Dass Wuppertal kein Mekka für Kunst-Mäzene ist – geschenkt. Für Kunstinteressierte schien das San Francisco des Bergischen lange nur am Rande zu existieren, wenn überhaupt. Den Eindruck gewann zumindest Steffen Schneider: „Ich habe Wuppertal als Stadt kennengelernt, in der es zahlreiche Künstler gibt, die in anderen Städten ausstellen.“ Ein Missstand, den es zu ändern galt. Vor zehn Jahren rief der Galerist die erste WOGA – Wuppertaler offene Galerien und Ateliers – ins Leben. Vieles hat sich seitdem verändert: Während man 2003 an nur 39 Standorten Kunst erleben konnte, sind es inzwischen 167 Standorte mit weit über 200 Teilnehmern. Allerdings: „Die Teilnehmerzahl lässt sich nicht exakt bestimmen“, erläutert Schneider. „Es gibt zahlreiche Ateliergemeinschaften mit mehreren Künstlern oder Gastkünstlern.“ Wuppertal soll als Kunststadt stärker in das Bewusstsein der Menschen rücken, so lautet das erklärte Ziel, das auch heute noch gilt; trotz oder auch wegen des bisherigen Erfolgs.
Ihren Charme verdankt die WOGA vor allem auch der Stadt
Der WOGA-Termin gilt heute als feste Größe im Wuppertaler Kalendarium, immer mehr Menschen schlendern an jeweils zwei Wochenenden im Oktober zunächst durch den Wuppertaler Osten, dann durch den Westen, betrachten die Werke in den Sparten Malerei, Fotografie und Skulptur. „Kunst darf das“, und bei der WOGA darf jeder alles. Es gibt keine Vorgaben, keine Bestimmungen – Kunst ist eben frei. „Wir hatten auch schon Künstler, die haben mit Filz gearbeitet. Viele bewegen sich zwischen Kunst und Kunsthandwerk“, die Grenzen seien fließend. In den vergangenen Jahren habe allerdings spürbar die Fotografie zugenommen.
Den besonderen Charme der WOGA macht auch die Stadt selbst aus. Manch einer arbeitet im Hinterhof, lässt sich von der morbiden Ästhetik inspirieren. Und auch der gesellschaftliche Zuspruch ist gewachsen. „Viele Künstler arbeiten auf den Termin hin“, weiß Schneider. Sie fiebern der WOGA entgegen; ein guter Ansporn, um ein neues Werk fertigzustellen. Bietet eine derartige Veranstaltung doch Gelegenheit, um sich mit Besuchern über seine Werke auszutauschen – bereichernde Begegnungen, nicht nur für den Rezipienten, sondern auch für den Kunstschaffenden. Das Schöne ist, dass man die Künstler über Jahre hinweg begleiten kann, daneben aber auch immer wieder neue Kreative entdeckt. „Man muss sich auf die Kunst einlassen wollen“, rät Steffen Schneider; erst dann werde sie zu einem Erlebnis. Ein Kunstwerk fordere seinen Betrachter auf, es könne Gefühle auslösen wie Musik oder Geschichten erzählen wie ein Buch. „Aber nicht jedes Kunstwerk wirkt bei jedem Menschen so. Das ist ganz individuell.“ Und das ist vielleicht auch das Besondere an der Kunst: dass sie für jeden anders ist.
Weitere Artikel zum Thema in unseren Partnermagazinen:
www.choices.de/urban-es-en-jefoehl
www.trailer-ruhr.de/vom-kulturbiotop-zum-szeneviertel
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kulturstadt im Tal?
Warum Wuppertal zu Unrecht Schlusslicht im Kulturranking ist – THEMA 11/12 NEUE URBANITÄT
„Künstler sind Raum- und Zeitpioniere“
Thilo Küpper zur Kulturszene von Wuppertal – Thema 11/12 Neue Urbanität
Oh, wie schön ist Whoopataal
Seit knapp 35 Jahren ist die Jazz AG Wuppertal e.V. aktiv – Thema 11/12 Neue Urbanität
„Die Verantwortung liegt bei uns allen“
Florian D. Schulz über das kulturelle Leben an der Wupper – Thema 11/12 Neue Urbanität
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Wie die AfD stoppen?
Teil 1: Leitartikel – Plädoyer für eine an den Bedürfnissen der Mehrheit orientierte Politik
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 1: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
Gefestigtes Umfeld
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Keine Panik!
Teil 2: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 2: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
Weltweit für Menschenrechte
Teil 2: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Angst über Generationen
Teil 3: Leitartikel – Wie Weltgeschehen und Alltag unsere Sorgen prägen
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 3: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
Sorgen und Erfahrungen teilen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Kölner Verein Rat und Tat unterstützt Angehörige von psychisch kranken Menschen
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
Gelassen ernst
Intro – Unheimlich schön
Ist Schönheit egal?
Teil 1: Leitartikel – Zwischen Body Positivity und Body Neutrality
„Schönheit ist ein zutiefst politisches Thema“
Teil 1: Interview – Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner über Schönheitsdruck
Im eigenen Körper durchs Leben
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Filmreihe „Body Positivity“ vom Medienprojekt Wuppertal
Im Namen der Schönheit
Teil 2: Leitartikel – Über körperliche Wunschbilder und fragwürdige Operationen
„Ausstrahlung ist mehr als die äußere Erscheinung“
Teil 2: Interview – Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen über Schönheitsoperationen
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 2: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
11 Millionen Eitelkeiten
Teil 3: Leitartikel – Fitnessstudios: zwischen Gesundheitstempeln, Muckibuden, Selbstverliebtheiten und Selbstgeißelung?
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 3: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht