Detlev Glanert, 1960 in Hamburg geboren, ist weltweit einer der meistgespielten lebenden Opernkomponisten. Ebenso wird er für seine Instrumentalkompositionen geschätzt, vor allem für seine Sinfonien und Konzerte. Er betonte einmal, wie wichtig es sei, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen und dafür zu sorgen, dass es in der Musik etwas von sich selbst findet: „Sie muss Ihnen etwas über Ihr Leben und darüber sagen, wer Sie sind. Die Oper muss dieses Prinzip haben, und das gilt auch für Orchestermusik. Wenn sie das nicht tut, wird sie sterben.“ In einem Interview sprach er 1996 über seine musikalischen Einflüsse. Nach einer Anfangsphase von rund drei Jahren, in der er seine eigene musikalische Persönlichkeit unter die seines Lehrers Hans Werner Henze stellte, fand er zu seinem eigenen Stil. Er liegt zwischen den gegensätzlichen Polen von Gustav Mahler und Maurice Ravel: Mahler für seine strukturelle Perspektive, „das einfache, dramatische Gefühl der Musik“, und Ravel für seine Oberflächentexturen, „die künstliche Maskerade der Klänge“.
Zum eigenen Stil
Seine Werke offenbaren großes Gespür für eine lyrische musikalische Sprache und eine Verbundenheit mit der romantischen Tradition, die aus einem zeitgenössischen Blickwinkel neu beleuchtet wird. Traditionelle Formen und die motivische Arbeit spielen bei ihm eine große Rolle. Seine Tonsprache nimmt oft Bezug zur Romantik und zum Impressionismus. Zugleich setzt er sich mit der Moderne und zeitgenössischen Klangfarben auseinander. Auch beschäftigt er sich intensiv mit großen Komponisten wie Johannes Brahms. Ein Beispiel dafür ist das vor etwa einem Jahr uraufgeführte Orchesterwerk „Weites Land“ mit dem Untertitel „Musik mit Brahms“. Damit eröffnet das Sinfonieorchester Wuppertal im nicht ausverkauften Großen Saal der Historischen Stadthalle sein fünftes Sinfoniekonzert dieser Spielzeit.
In diesem etwa zehnminütigen Opus erscheinen am Angang die ersten vier Takte der 4. Sinfonie von Brahms mit ihrem charakteristischen Wechsel von fallender Terz und aufsteigender Sexte. Beide Intervalle werden immer wieder in die Textur eingewoben, bis hin zum überraschenden Schluss. Ansonsten werden musikalische Haltungen und Gesten daraus im zeitgenössischen Stil weitergedacht etwa in Form von lyrischem Schwelgen und energiegeladenen Ausbrüchen. Ein weiterer Bezug zu Brahms, der wie Glanert in Hamburg auf die Welt kam, widerspiegelt der Titel: „Es ist viel Norddeutschland darin, der brahmssche Geruch von Marschland und großen Himmeln.“ Eine große Palette an emotionalen Klangbildern ist detailliert auskomponiert, die trotz aller Komplexität an diesem Abend beim Publikum ankommt. Dafür sorgt Gastdirigentin Ruth Reinhardt, die dank ihrer präzisen wie expressiven Stabführung dafür sorgt, dass die städtischen Sinfoniker diese Stimmungen klar zum Ausdruck bringen.
Herb und innig
Auch ein Werk von Brahms, nicht die erwähnte 4. Sinfonie, sondern seine Dritte in F-Dur op. 30, kommt zur Aufführung. Nicht von ungefähr wird sie als die „Brahmsischte“ bezeichnet, trägt sie doch am deutlichsten die Züge seiner künstlerischen Wesensart: Herbheit und Innigkeit, kämpferischer Trotz und liebe zum Volksliedhaften. Dieser Gehalt wird differenziert und verständlich packend zum Ausdruck gebracht. Nur ein paar große musikalische Bögen hören sich ein wenig zu hektisch an. Hier hätte die frisch zur Musikdirektorin des Rhode Island Philharmonic gekürte, 1988 in Saarbrücken geborene Dirigenten etwas mehr innere Ruhe vermitteln können.
Zwischen diesen beiden Werken erklingt die 88. Sinfonie in G-Dur von Joseph Haydn. Sie ist die erste von vier weiteren dieser Gattung, die in den letzten Jahren vor dem England-Besuch des Komponisten um 1787 entstand. Hier wird bereits der Haydnsche Spätstil deutlich, der in den „Londoner Sinfonien“ seine Vollendung fand. Wie aus einem Guss, fest zupackend mustergültig fein phrasiert kommen die vier Sätze von der Bühne.
Das Konzert wird mit stehenden Ovationen gefeiert.
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