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Foto: Hartmut Sassenhausen

Das Glück nach dem Schmerz

27. November 2024

1. städtisches Chorkonzert in der Historischen Stadthalle – Musik 12/24

Im August 2023, zu Beginn der letzten Spielzeit, gastierte das Sinfonieorchester Wuppertal mit drei Konzerten beim Sommerfestival Murten Classics in der Schweiz. Zwei davon dirigierte Christoph-Mathias Mueller. Er ist dort seit 2021 Künstlerischer Direktor und wurde ein Jahr später zum Professor für Orchesterdirigieren an der Zürcher Hochschule der Künste ernannt. Nun gibt es einen Gegenbesuch. In der Historischen Stadthalle leitet er das 1. Städtische Chorkonzert dieser Spielzeit mit zwei zum Totensonntag passenden gegensätzlichen Werken.

Arthur Honegger wurde 1892 in Le Havre als Sohn helvetischer Eltern geboren und lebte größtenteils in Frankreich. Sein künstlerisches Schaffen ist beeinflusst unter anderem vom evangelisch-reformierten Glauben in der Schweiz einerseits und vom französischen Katholizismus andererseits. Die Musik spiegelt seine vielseitigen Ansichten über die Menschheit und die Welt. Für Honegger bedeutete Komponieren eine Position beziehen, er wollte die Menschen durch seine Musik wachrütteln.

Gegen die Grausamkeit

Zu seiner dritten Sinfonie, bekannt als „Symphonie liturgique“, bemerkt er: „Ich wollte in diesem Werk die Auflehnung des modernen Menschen gegen die Flut der Barbarei, der Dummheit, des Leidens, des Maschinismus, der Bürokratie symbolisieren, die uns seit einigen Jahren bestürmt.“ Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb er dieses Werk, das laut eigener Worte „ein Drama zwischen drei realen oder symbolischen Charakteren sein sollte: Elend, Glück und Mensch“. Auch kommt darin sein religiöser Dualismus zum Tragen in Form der aus dem liturgischen Requiem stammenden drei Verse „Dies irae“, „De profundis clamavi“ und „Dona nobis pacem“ sowie der unmissverständlich sachbezogenen Musiksprache.

Fest zupackend, jederzeit selbst bei sehr lauten Tuttistellen klar durchhörbar und spannungsgeladen bringen die städtischen Sinfoniker unter Muellers Stabführung den Gehalt zum Ausdruck. Dank scharf akzentuierter Dissonanzen kommen die Schrecken des Jüngsten Gerichts furchteinflößend von der Bühne. Die Seelenqualen und der Schrei aus der Tiefe als Symbol für ein Gebet ohne Hoffnung erklingen im Adagio düster. Im Finale enden erst unerbittliche Marschtritte in die Katastrophe, bevor wie eine ferne Vision die Hoffnung auf Frieden sehnsuchtsvoll erklingt.

Jenseitiges Glück

Ganz anders verhält es sich mit Gabriel Fauré und seinem Requiem. Der Komponist war zwar schon früh als Organist tätig, stand 40 Jahre im Dienst der Katholischen Kirche. Doch er war nicht streng gläubig, sondern Agnostiker. So erklärt es sich, dass sein musikalisches Oeuvre nur 26 Kirchenmusikwerke und keine Werke für Orgel umfasst. Mit dem Opus 48 schlägt er im Gegensatz zu Honegger keine hochdramatischen, sondern sanfte Töne an, die Vermittlung von Trost und Hoffnung waren ihm wichtig. So endet das Requiem nicht mit dem Tag des Schreckens („Dies irae“), sondern mit dem Paradies („In paradisum“), das traditionellerweise eigentlich bei der Überführung des Leichnams von der Kirche zum Friedhof gesungen wird. Ein Zitat Faurés spiegelt treffend seine Persönlichkeit und den Kern des Werks: „Man hat gesagt, dass es keine Angst vor dem Tod ausdrücke; jemand hat es ein ‚Wiegenlied des Todes‘ genannt. Doch so empfinde ich den Tod: als glückliche Befreiung, als Streben nach dem jenseitigen Glück eher denn als schmerzhaften Übergang.“

Von der ersten bis zur letzten Note nimmt Mueller dieses Werk stringent mit gemäßigten Tempi. Er sorgt für feinste Differenzierungen, lässt die elegische Sanftheit voll zum Ausdruck kommen. Fauré wünschte sich eine (Knaben-)Stimme für das Sopransolo und eine Kantorenstimme für das Baritonsolo. Diesen Rollen werden Sopranistin Dorothea Brandt und Bariton Andreas Beinhauer in allen Belangen gerecht. Sie glänzen mit sattelfesten, tragfähigen und einfühlsamen Stimmen. Hinzu gesellt sich der von Thorsten Pech bestens einstudierte Konzertchor Wuppertal, der dank Muellers Dynamiken seine Partien tief nachempfunden und sauber vorträgt. Nur könnte Tobias Deutschmann die wichtigen Orgelklänge empfindsamer zu Gehör bringen, mit in Frankreich üblichen Registrierungen, dem Werk angemessen wären.

Dieses Chorkonzert stößt auf große Begeisterung und endet dementsprechend mit stehenden Ovationen.

Hartmut Sassenhausen

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