Das ehrenwerte britische Label Strut deckt nun mit der Doppel-CD „Ave Africa – The Kitoto Sound of East Africa: 1973-1976“ die kurzlebige, aber wohl einflussreiche Band Sunburst aus Tansania ab. Anders als vom Heavy Rock beeinflusste Zamrock-Bands wie Witch, gehören Sunburst zur Funk-infizierten Abteilung des Afro Rock mit karibisch beeinflussten Percussions und Bläsern. Doch auch bei ihnen findet man psychedelische Rockgitarren. Die Compilation versammelt das einzige Album der Band und alle Singles plus bislang unveröffentlichte Demoaufnahmen. Ebenso ambitionierter Vinyl Digger wie Strut ist das Frankfurter Label Analog Africa. Mit „Space Echo“ erschien gerade älteres Material von den Cap Verden, nun wird das '97er-Album von Victor Tavares aka Bitori wiederveröffentlicht. Der upliftende Funaná-Sound mit karibischen Rhythmen und einem schnell gespielten Akkordeon war lange verboten, bevor die Cap Verden 1975 ihre Unabhängigkeit von Portugal erlangen konnten.„The Forbidden Music of the Cape Verde Islands“ ist großartige Tanzmusik!
Gonjasufi hat mit zwei Alben seinen Ruf als kiffender Einsiedler und sperriger Musiker gefestigt. Jetzt unterwandert er die Erwartung, dass trotz aller sonischer Eskapaden am Ende doch noch alles groovt. „Callus“ handelt vom Schmerz und klingt auch so. Mit verzerrter Gitarre, bröckelnden Beats und staubigen Vocals watet Gonjasufi auf seinem neuen Album durch emotionales Grenzgebiet (Warp). Auch hier wird es nicht leicht: Mit „Amputation“ begibt sich der Norweger Stian Westerhus abermals auf vokale Entdeckungsreise. Der experimentelle Gitarrist hat erst auf den letzten Alben seine fragile, helle Stimme entdeckt, die in ihrer existentiellen Verzweiflung und auch klanglich sowohl an das Spätwerk von Scott Walker als auch Antony Hegarty in seiner neuen, elektronischen Inkarnation als Anohni erinnert. Auch musikalisch kommt man um den Vergleich kaum herum: Zwischen neutönerischen Klangwelten und verzerrten Elektronikcollagen geht Westerhus an akustische Grenzen (House of Mythology). Das Trio WWWINGS stammt aus den Resten der Sovietunion – aus Russland, Sibirien und der Ukraine. Ihre Musik empfinden sie selber als depressiv und führen das auf die Bedingungen in ihren Heimatländern zurück, die sie als beinahe totalitär und als ungesunde Zone erleben. Das Album „Phoenixxx“ klingt entsprechend dystopisch: Grobe, zersplitternde Sounds, bedrohliches Grollen und clubbige Elemente von Techno über Trap täuschen das Feiern nicht mal an, sondern klingen eher nach Kriegszustand. Zahlreiche Kollaborationen – neben Born in Flamez auch mit dem Kölner Produzenten DJ Heroin – klingen kaum versöhnlicher (Planet Mu).
Die Liebe zum Geräusch und das Interesse am Klang nennt der Herausgeber des Musikfanzines „aufabwegen“ als seinen Antrieb, sich seit den frühen 90er Jahren intensiv mit Industrial und später auch Klangkunst in unterschiedlichster Form zu beschäftigen. Zum Magazin kamen Label und Konzertveranstaltungen, nun wird mit der opulenten Doppel-CD „aufabwegen#50 – Ausgewählte Geräusche“ der Werdegang gefeiert und exemplarisch mit Klangerkundungen unterschiedlichster Art dokumentiert. Bekanntere Namen sind Frank Brettschneider, Column One, Fetisch Park, Thomas Köner, Die tödliche Doris oder Asmus Tietchens. Besonders harsche Hörerlebnisse oder wavige Düsterheit wird zugunsten des zitierten Interesses am Klang übergangen (edition elektronik).
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