engels: Frau Mäder, ist der Bufdi Teil einer Erfolgsgeschichte?
Antje Mäder: Der Bundesfreiwilligendienst ist eine Erfolgsgeschichte. Ich vermeide den Begriff Bufdi. Das klingt so nach Grufti und Mufti und beschreibt nicht das, was die Menschen dort leisten. Als der Dienst am 1. Juli vergangenen Jahres startete, hörte man in den Medien viele Stimmen, die nicht glaubten, dass die angestrebten Zahlen erreicht werden. Wir konnten aber tatsächlich alle Plätze besetzen. Im Monat April hatten wir 33.325 Menschen im Bundesfreiwilligendienst.
Was sind das für Menschen?
Etwa 65 Prozent sind unter 27 Jahre alt. Aber der Anteil derer, die schon über mehr Lebenserfahrung verfügen, steigt. 47 Prozent sind Frauen, 53 Prozent Männer. Es sind hochmotivierte Menschen, die sowohl etwas für die Gesellschaft tun wollen als auch für sich.
Warum kommen diese Menschen zu Ihnen?
Viele wollen die Zeit nutzen, um sich nach Schule oder Ausbildung beruflich zu orientieren und auszuprobieren. Die Älteren wollen nach dem Arbeitsleben weiter aktiv bleiben, nicht sofort ohne Beschäftigung sein, die gemachte Erfahrung weitergeben und unter Menschen sein.
Gibt es auch den Hartz-IV-Empfänger?
Natürlich. Viele von den Hartz-IV-Beziehern begreifen den Bundesfreiwilligendienst auch als eine Möglichkeit zum Wiedereinstieg in das Erwerbsleben. Es kann durch den Dienst Selbstbewusstsein aufgebaut werden, kann vielleicht auch einem künftigen Arbeitgeber zeigen, was ich kann.
Wie viel verdient man bei Ihnen eigentlich?
Der Freiwillige bekommt keinen regulären Lohn, sondern ein Taschengeld. Dieses wird mit den Einrichtungen vereinbart und die Höchstgrenze liegt in diesem Jahr bei 336 Euro. Dazu können Geldersatzleistungen oder auch Leistungen in natura für Unterkunft, Verpflegung und Kleidung erbracht werden. Die Freiwilligen sind sozialversichert.
Der Freiwillige ist also billiger als früher der Zivi?
Beim Zivildienstleistenden gab es große Unterschiede bei der Entlohnung. Für die Einrichtungen sind die Kosten im Durchschnitt etwa die gleichen geblieben.
Betreiben Sie mit dem Bundesfreiwilligendienst Lohndumping?
Der Bundesfreiwilligendienst ist wie früher der Zivildienst arbeitsmarktneutral ausgestaltet. Das überwachen wir auch. Hier werden Leistungen zusätzlich erbracht. Im Altenheim zum Beispiel führen die Freiwilligen nicht die klassischen Pflegemaßnahmen durch, sondern begleiten mal beim Einkauf, gehen mit Bewohnern spazieren, machen einen Spielenachmittag.
Früher war der Zivildienst auch eine Möglichkeit, dass Männer in sozialen Berufen landeten. Fällt durch die Freiwilligkeit des neuen Dienstes diese Möglichkeit weg?
Im Pflichtdienst war dies ein positiver Nebeneffekt, dass Männer in klassischen Frauenberufen Erfahrungen machen konnten. Sie konnten so die Arbeit der Frauen mehr wertschätzen. Aber noch immer machen mehr Männer als Frauen den Bundesfreiwilligendienst, somit bleibt dieser Aspekt erhalten.
Weiterhin gibt es auch noch das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr. Warum diese parallelen Strukturen?
Die Freiwilligen vor Ort merken den Unterschied oft gar nicht. Innerhalb einer Einrichtung ist das Taschengeld auch das gleiche. Sichtbarer Unterschied ist das Alter der Freiwilligen. Der Bundesfreiwilligendienst kann nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht von allen Altersklassen wahrgenommen werden, während das FSJ und das FÖJ nur von Menschen bis zu ihrem 27. Lebensjahr gemacht werden können.
Wäre ein Pflichtdienst für Männer und Frauen nicht wünschenswert?
Der Pflichtdienst ist für uns nicht diskutabel. Durch das Grundgesetz und auch durch europäisches Recht ist nur ein Pflichtdienst zugelassen und das war der Wehrdienst. Und den gibt es in dieser Form nicht mehr.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es gibt zu wenig finanzierte Plätze“
Wilfried Theißen über die Lage beim Paritätischen Wohlfahrtsverband – Thema 06/12 Freiwillig
„Menschen, die der Natur wieder etwas zurückgeben wollen“
Gitta Richter über Bundesfreiwillige im Naturschutz – Thema 06/12 Freiwillig
Freiwillig und zivil
Der Bundesfreiwilligendienst feiert im nächsten Monat Geburtstag - THEMA 06/12 FREIWILLIG
Überzeugter Lückenbüßer für die Gemeinschaft
Kevin Buchner betreut in Hilden Kinder mit geistiger und körperlicher Behinderung - Thema 06/12 Freiwillig
Wenn Hilfe zur Sinnsuche wird
Marius Pletsch leistet seinen Bundesfreiwilligendienst im Remscheider CBT-Wohnhaus Katharinenstift - Thema 06/12 Freiwillig
Gefahrenzulage
Intro – Arbeit oder Leben?
Über irrelevante Systemrelevante
Teil 1: Leitartikel – Wie Politik und Gesellschaft der Gerechtigkeitsfrage ausweichen
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 1: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung
Betroffen und wehrhaft
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Solidaritätsnetzwerk
Sinnvolle Zeiten
Teil 2: Leitartikel – Wie Arbeit das Leben bereichern kann
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 2: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
Bereicherte Arbeit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Migration und Arbeitswelt
Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado
Teil 3: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 3: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
Vermögenssteuern für Klimaschutz
Teil 3: Lokale Initiativen – Co-Forschungsprojekt betont sozio-ökologische Herausforderung
Bildung für mehr Miteinander
Pflichtfach Empathie – Europa-Vorbild Dänemark
Der heimliche Sieg des Kapitalismus
Wie wir vergessen haben, warum wir Karriere machen wollen – Glosse
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Wie die AfD stoppen?
Teil 1: Leitartikel – Plädoyer für eine an den Bedürfnissen der Mehrheit orientierte Politik
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 1: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
Gefestigtes Umfeld
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Keine Panik!
Teil 2: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 2: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
Weltweit für Menschenrechte
Teil 2: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Angst über Generationen
Teil 3: Leitartikel – Wie Weltgeschehen und Alltag unsere Sorgen prägen