engels: Wie lebt es sich, wenn man von 165 Kilo Körpergewicht 60 abgenommen hat?
Andreas Bär Läsker: Es lebt sich natürlich besser, gesünder und leichter, das ist klar. Aber das Abnehmen lief über Jahre und war nicht mit einem kurzen Schlag getan. Ich habe schon Ende der 90er Jahre mit diesem Prozess angefangen.
Ist ihre Gewichtsabnahme nur darauf zurückzuführen, dass Sie sich auf einen veganen Lebensstil umgestellt haben?
Nicht zwingend. Vegan zu leben hat natürlich auch dazu beigetragen, aber nicht in dem Umfang.
Gab es irgendwann einen Punkt, an dem Sie gesagt haben, dass Sie etwas ändern wollen – oder hat sich das schleichend entwickelt?
Ich habe vor ungefähr vier Jahren die „China Study“ gelesen, ein wissenschaftliches Buch über vegane Lebensweise. Drei Tage danach habe ich mich umgestellt auf vegetarisches Essen. Anderthalb oder zwei Jahre später habe ich angefangen, mich vegan zu ernähren.
Hatte das einen ideologischen Hintergrund oder ging es Ihnen erst einmal nur um Ihre Gesundheit?
Das hatte die Gründe, die es glaube ich bei allen Veganern gibt: Der eine macht es wegen dem Tierschutz, der andere wegen der Gesundheit, der dritte aus Vernunft. Wenn man sich grundsätzlich mit Ernährung beschäftigt, kommt man an die Ecken und Kanten seiner Lebensweise heran. Was machen wir eigentlich mit den Tieren? Was machen wir mit unserer Ernährung? Warum essen wir so viel Scheiß? Wenn man sich diese Fragen stellt, kommt man quasi autodidaktisch zur Ernährungslehre. Irgendwann erscheint es einem vollkommen logisch, nur noch vegan zu leben.
Sie haben einmal sinngemäß gesagt, dass der gute Geschmack nicht der einzige Grund dafür sein kann, Fleisch zu essen.
Das, was die Leute prinzipiell bei Fleisch als lecker empfinden, ist ein bisschen in die Tasche gelogen. Der Geschmack entsteht durch Gewürze, Röststoffe, Soßen. Fleisch an sich schmeckt genauso langweilig wie Tofu nackt. Fleisch schmeckt nach Blut, nicht mehr. Es ist für mich aber in keiner Weise tragbar, dass ich milliardenfachen Tiermord, die Verseuchung unserer Umwelt, den Klimawandel oder die Entstehung multiresistenter Keime durch den unfassbaren Missbrauch von Antibiotika im Tierfutter akzeptiere. Und das alles nur, weil es mir so lecker schmeckt. Es gibt tausend andere Sachen, die man essen kann.
Ist das Fleischessen für Sie ein gesellschaftliches Problem?
Es ist definitiv ein soziales Problem, weil es stark mit dem Klimawandel zusammenhängt, der uns beeinflusst.
Wie hat denn ein typischer Speiseplan von Bär Läsker ausgesehen, bevor Sie Veganer wurden?
Ich habe schon immer sehr gerne gekocht, durchaus auch vollwertig, aber da waren eben immer auch Fisch, Fleisch, Käse, Milch und Eier dabei. Milch hatte ich mir schon lange abgewöhnt, weil ich sie nicht vertragen habe. Ich hatte auch lange kein Fast Food mehr gegessen. Aber: Ich hatte eine klassisch omnivore Ernährung, und die ist weder sinnstiftend, noch gesund.
Und was kommt jetzt bei Ihnen in den Kochtopf?
Alles außer Fisch, Fleisch, Käse, Milch und Eier (lacht). Die Leute fragen ja immer, was ist eigentlich vegan? Was isst du denn dann? Ich sage dann immer genau das. Im Umkehrschluss: Jede Art von Getreide, jede Art von Gemüse, jede Art von pflanzlichen Möglichkeiten. Die gibt es nun mal zu tausenden – viel, viel mehr als Fleisch mit irgendwas. In Deutschland gibt es schätzungsweise 80 verschiedene Kartoffelsorten. Es gibt tausende von Gemüsesorten. Zig Nudelsorten.
„No need for meat – oder: Vegan ist, wenn man trotzdem lacht“ heißt ihr Buch – muss der Untertitel sein, weil Veganismus immer noch einen drögen Beigeschmack hat?
Ich will zeigen, dass es eben nicht so ist. Es ist völliger Blödsinn, dass vegane Küche dröge ist. Wenn ich ein Bild davon machen würde, was ich in den letzten drei, vier Tagen gegessen habe, wäre das ein riesiges Potpourri. Ich bräuchte eine große Fläche, um alles nebeneinanderlegen zu können. Andere Leute essen jeden Morgen um 9.30 Uhr eine Leberkässemmel. Jeden Morgen. 30 Jahre lang. Und die regen sich dann auf, was man denn als Veganer essen soll, wenn man keine Leberkässemmel mehr essen will.
Sie haben Rezepte in Ihrem Buch selbst entwickelt. Welches davon ist Ihr Favorit?
Das Fenchel-Linsen-Curry ist ziemlich geil. Das kommt auch extrem gut bei anderen Leuten an. Und dann ist natürlich klar, dass ich die Falafel und den Hummus nicht erfunden habe, aber die Art und Weise, wie ich sie mache, ist schon noch mal was anderes. Ansonsten kann ich die Spinat-, Rote-Beete-, und Karotten-Küchle empfehlen.
Ist Ihnen auch Essenskultur wichtig? Essen Sie gerne in Gemeinschaft?
Selbstverständlich, ich mache gerne große Partys und lade gerne Leute ein. Daraus entstand schließlich auch die Idee, ein Buch zu machen. Die Leute haben gesagt, schreib doch mal ein Kochbuch, es schmeckt so lecker und du hast Talent dazu.
Sie haben sicherlich auch Gäste, die nicht vegan leben. Wie kriegen Sie das unter einen Hut?
Wenn die Leute zu mir kommen, koche ich bestimmt kein Fleisch. Da sind sie bei mir falsch. Es gibt halt Menschen, die sagen, dass sie nicht vegan essen können. Dann können sie halt nicht zu mir kommen – Pech gehabt.
Sie haben deswegen aber nicht weniger Besuch.
Nee. Es gibt sicherlich Leute, die sich von mir abgewendet haben, weil sie mit meiner Art nicht klarkommen. Dann trennt sich halt die Spreu vom Weizen. Die Menschen, die auch einen veganen Lebensstil verfolgen, werden aber jeden Tag mehr. Ich muss mir sicherlich keine Sorgen um die Größe meines Freundeskreises machen (lacht).
Verlag von „Bär“ Läsker: www.thieme.de
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