engels: Frau Glauner, macht Kommunalpolitik noch Spaß?
Dorothea Glauner: Sie sollte Spaß machen, weil sie die Politik ist, die am nächsten am Bürger ist. Man weiß, wo der Schuh drückt, man möchte sich einsetzen. Aber dieser Einsatz ist inzwischen schwierig geworden. Wir stehen unter Haushaltssicherung. Es macht keinen Spaß, Maßnahmen ergreifen zu müssen, die dem Bürger wirklich wehtun. Zurzeit muss entschieden werden, ob das Bürgerbad in Ronsdorf geschlossen wird. Kein Mensch will, dass Bäder geschlossen werden. Viele alte Menschen wohnen da oben auf der Höhe, müssen auf andere Bäder im Stadtgebiet ausweichen, das gilt gleichermaßen fürs Kinderschwimmen. Da möchte man gern mit der Opposition stimmen. Aber so ist das Problem der Überschuldung noch nicht gelöst.
Lorenz Bahr von den Grünen sagte mir, dass sich die meisten Politiker hinter der Haushaltssicherung verstecken, weil sie keine Kreativität mehr entwickeln.
Da könnte ein kleines Stückchen Wahrheit dran sein. Dies würde aber auch von den Bürgern viel Eigeninitiative erfordern. In Ronsdorf und Vohwinkel haben sich Vereine und Bürger gefunden, ihr Bad in Eigenregie weiterzuführen. Solch ein Engagement sollte von der Stadt belohnt werden. Stattdessen sollen die Finanzmittel ganz gestrichen werden. Es ist absehbar, dass der Förderverein allein die Kosten nicht tragen kann, das gilt zumindest für Ronsdorf.
Wer geht eigentlich noch in die Kommunalpolitik? Haben Sie Nachwuchssorgen?
Dieses Thema macht mir große Bauchschmerzen. Unsere Bezirksvertretungen sind oft mit Leuten besetzt, die auf die Siebzig zugehen. Junge Leute kommen nicht. Und wenn sie kommen, sind sie ganz schnell wieder weg. Läuft da nicht etwas falsch? Kleben da die alten Bezirksvertreter nicht zu sehr an ihrem Stuhl? Andererseits fehlt bei den jungen Leuten die Begeisterung. Die Bezirksjugendräte konnten nicht mehr flächendeckend aufgestellt werden. Es gibt ja jetzt einen Stadtjugendrat. Was ist so schwierig, die jungen Menschen an die Demokratie heranzuführen?
Diese Frage möchte ich Ihnen gerne stellen.
Ich mache da auch der Presse einen Vorwurf. Öffentlich wird der Politiker oftmals als Egoist dargestellt. Es wird nicht erwähnt, was Lokalpolitiker an wöchentlicher ehrenamtlicher Arbeit leisten. Wir müssen junge Menschen für diese Demokratie wieder begeistern. Viele haben vergessen, welches hohe Gut die Demokratie darstellt. Da haben Menschen ihr Leben für gelassen. Die heutige Demokratie ist letztlich aus zwei Diktaturen entstanden.
Liegt es auch an überkommenen Formen? Junge Leute gehen nicht gern zu Bezirksvertreterversammlungen. Wäre eine Online-Bürgerbeteiligung ein gangbarer Weg?
Das Internet ist für mich zu abstrakt. Gerade die Kommunalpolitik braucht das Gespräch am runden Tisch, braucht Diskussion, braucht Austausch. Im Internet kann man sich hinter Pseudonymen verstecken, auch etwas schreiben, was man gar nicht so meint.
Es gibt keine Fünf-Prozent-Klausel mehr in der Kommunalpolitik. Macht Ihnen die Zerfransung der Parteienlandschaft zu schaffen?
Ja, ich finde es für Wuppertal eine Schande, dass wir zwei Stadtverordnete haben, die aus dem ultrarechten Lager kommen. Auch den Linken stehe ich äußerst kritisch gegenüber. Da gibt es auch Leute, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Aber besonders die rechten Splittergruppen sollten nicht im Rat sein.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Gewählt, um Probleme zu lösen“
Bernhard Simon über die Aufgaben von Ratsvertretern - Thema 08/11
Bürger beteiligen?
Modelle direkter Demokratie boomen besonders in der Lokalpolitik - Thema 08/11
Der Einzelgänger
Rolf-Jürgen Köster betreibt Politik jenseits der Parteien - Thema 08/11
Die Krise als Chance
Zur Parteiendämmerung im Wuppertaler Rat - THEMA 08/11
Einig im Treten
Intro – Arbeitskämpfe
Armut wählen
Teil 1: Leitartikel – Zur politischen Kultur Deutschlands
„Egal wer die Brandmauer zerstört, wir werden ihn kritisieren“
Teil 1: Interview – Omas gegen Rechts: Jutta Shaikh über die Verteidigung der Demokratie
Als Bürger wahrgenommen werden
Teil 1: Lokale Initiativen – Lernbehinderte in der KoKoBe erheben ihre politische Stimme.
Bloß der Wille fehlt
Teil 2: Leitartikel – Die Politik zulasten der Ärmsten gefährdet den sozialen Frieden
„Politik für das Gemeinwohl, nicht für Unternehmen“
Teil 2: Interview – Armutsforscher Christoph Butterwegge über die Umverteilung von Reichtum
Jetzt erst recht
Teil 2: Lokale Initiativen – Parents for Future in Köln
Peitsche namens KI
Teil 3: Leitartikel – Beschäftigte werden mit neuester Technologie massenhaft überwacht.
„KI streikt nicht“
Teil 3: Interview – Informatiker und Philosoph Jürgen Geuter über künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt
Gegen digitalen Kolonialismus
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Chaospott Essen klärt über Technik und Datenschutz auf
Feierabend heißt Feierabend
Neues Gesetz schützt Arbeiter vor ständiger Erreichbarkeit – Europa-Vorbild: Spanien
„Ich ersetze keine Menschen – ich entlarve sie“
Ein Gespräch mit einer Künstlichen Arroganz über den Arbeitsmarkt – Glosse
Zum Wohl!
Intro – Rausch im Glück
Konsum außer Kontrolle
Teil 1: Leitartikel – Was uns zum ständigen Kaufen treibt
„Dann übernimmt das Lusthirn“
Teil 1: Interview – Psychotherapeutin Nadine Farronato über Kaufsucht
Teufelskreis im virtuellen Warenkorb
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Caritas-Suchthilfe hilft auch bei Kaufsucht weiter
Lebensqualität gegen Abwärtsspirale
Teil 2: Leitartikel – Drogensucht ist kein Einzelschicksal, sie hat gesellschaftliche Ursachen
„Wir haben das Recht auf Rausch“
Teil 2: Interview – Mediziner Gernot Rücker über die Legalisierung von Drogen
Zwischen Blüte und Bürokratie
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Cannabas-Club e.V. und der neue Umgang mit Cannabis
Gute Zeiten für Verführer
Teil 3: Leitartikel – Das Spiel mit dem Glücksspiel
„Ich vermisse die Stimme der Betroffenen“
Teil 3: Interview – Psychologe Tobias Hayer über Glücksspielsucht