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Die Graffiti-Krippe stößt auch außerhalb der Grenzen Wuppertals auf reges Interesse
Foto: Katholische Citykirche Wuppertal

Oh je, du fröhliche!

29. November 2012

Eine Graffiti-Krippe, die Kreuzigung an Heiligabend und ein Beuys-Schüler als Tannenputzer – THEMA 12/12 O DU FRÖHLICHE

Bodo Berheide erinnert sich gern an das Weihnachtsfest, so wie es vor vielen Jahren in seiner Kindheit war. Vater und Großvater begannen am frühen Heiligmorgen mit dem Schmücken des Baumes. Jede erfolgreich angebrachte Kugel wurde mit einem Schnäpschen belohnt. Bis zum Mittag war die Tanne behängt und die Herren betrunken. Nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen standen sie aber rechtzeitig zur Bescherung dem tosenden Familienleben wieder zur Verfügung. Nur ein einziges Mal in all den Jahren ist der Baum gemeinsam mit den Baumschmückern umgefallen. Inzwischen ist Bodo Berheide, seines Zeichens ein bekannter Bildhauer aus Wuppertal, selbst durchaus in einem Alter, in dem man Christbäume schmückt. So kam ihm die Idee, den alten familiären Brauch, leicht abgewandelt, wiederzubeleben. In der Galerie KUNSTKOMPLEX seiner Freundin Nicole Bardohl wird er am Morgen des 24. Dezembers eine ganz spezielle Kunstaktion anbieten. Für jeden getrunkenen Glühwein wird ein Gegenstand an der dafür vorgesehenen Nordmanntanne befestigt. Welche Gegenstände dies sein werden, bleibt der Kreativität der Gäste überlassen. Am Ende des „Glühschoppens“ wird bestimmt eine künstlerisch wertvolle Kreation zu bestaunen sein. Besonders die Kombination von Performance und Alkohol behagt dem Schüler von Joseph Beuys und er zitiert seinen Lehrer: „Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden, sonst kriegen wir eine, die wir nicht wollen.“ Vielleicht gestaltet der Bildhauer Berheide zum nächsten Fest eine Krippe der ganz anderen Art.

Eine schon etwas unkonventionelle Krippe entsteht in diesem Jahr auf dem Laurentiusplatz im Herzen Elberfelds. Der Graffiti-Künstler Martin Heuwold alias Megx gestaltet im Laufe des Monats eine Krippe mit seinen Mitteln. Dabei entsteht die Darstellung Schritt für Schritt. Erst am Heiligabend kommen Maria, Josef und das Christkind hinzu. Die Graffiti-Krippe, die bereits in den vergangenen drei Jahren auf ein großes, weit über Wuppertal hinausreichendes Interesse gestoßen ist, verbindet konventionelle christliche Kultur mit jugendgemäßem Ausdruck. Damit, so die Hoffnung der Katholischen Citykirche, die die Aktion gemeinsam mit der IG Friedrich-Ebert-Straße und dem Stadtmarketing Wuppertal organisiert, könne die Krippe eine ganz eigene Botschaft transportieren: Weihnachten ist ein Fest, an dem sich die Gesellschaft harmonisiert.

Der Geburtstag des Herrn ist untrennbar verbunden mit der Nahrungsaufnahme
Natürlich sind nicht alle Wuppertaler zu Weihnachten im christlichen Sinne unterwegs. Wie aber können sich bekennende Atheisten durch die stille Nacht retten? Griesgrämig in der Ecke zu sitzen, mag nur einen begrenzten Zeitraum lang Spaß bereiten. Besser entgeht der Weihnachtsfest-Hasser dem Trubel mit Humor. Tatsächlich feiert das Kabarett in der Adventszeit Hochkonjunktur. Kabarettistinnen und Kabarettisten wie Nessi Tausendschön, Tina Teubner, Lioba Albus und Kai Magnus Sting locken mit eigens fürs Fest geschriebenen Programmen die Lametta-Lamentierer hinter ihren Öfen hervor. Wenig beschaulich wird es zur Zeit der Bescherung auch im Spunk zugehen. Die Szenekneipe zeigt seit knapp 20 Jahren den Klassiker „Das Leben des Brian“. Das Ritual mag an die Umtriebe bei Vorführungen der „Rocky Horror Picture Show“ in den frühen 1980er Jahren erinnern. Welche Gegenstände das Publikum benutzen wird, um die Steinigung zu Beginn des Films nachzuspielen, ist noch ein Geheimnis. Humor, gerade dann, wenn er so bitter-britisch ist, verträgt sich nicht gut mit gutbürgerlich-weihnachtlicher Andacht.

Sowohl bekennende Atheisten wie auch Christen sind dann wiederum geeint in ihrer Kritik an dem vollkommerzialisierten Fest. Die Engländer haben mit ihrem Namen fürs Fest natürlich recht. Christmast. Der Geburtstag des Herrn ist in unseren Breiten untrennbar verbunden mit der Einverleibung von Unmengen kalorienreicher Nahrung. Erst werden die Gänse mit Hafer gestopft, dann die Menschen mit den gestopften Gänsen. Aber neben diesem und auch gegen diesen bauchfüllenden Brauch mehren sich konsumkritische Stimmen. Manche erbost besonders der Zeitpunkt, an dem das weihevoll-närrische Treiben freigegeben wird. Dominosteine und Spekulatius als Fingerfood bei sommerlichen Grillpartys? Bäh! Auch wird inzwischen gern gemeckert gegen die Zwänge, ein dreizehntes Monatsgehalt ohne weitere Abzüge sofort nach Auszahlung in die dafür vorgesehenen Einzelhandelsgeschäfte der City-Arkaden und der Rathaus Galerie zu tragen. Dabei kurbelt das Fest nachgewiesenermaßen die Wirtschaft an. Wenn alle anfangen, auf ein geheimes Zeichen hin mehr zu kaufen, wird mehr produziert, wird mehr verdient, wird mehr gekauft. Das funktioniert so, wie wenn alle Autos in einem Stau gleichzeitig anfangen würden zu fahren. Weihnachten ist also gut gegen Depressionen, zwar nicht zwingend gegen die seelische, aber doch gegen die wirtschaftliche Depression. Monatlich stattfindend würde das Fest manchem südeuropäischen Land aus der Patsche helfen. Und Wuppertal wohl auch. In diesem Sinne: Ho ho ho!

Lutz Debus

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