Geht es musikalisch um Strömungen, Experimentierfreude und Uraufführungen, ist in der freien Kulturszene Wuppertals richtig was los. Andauernd gastieren etwa in den soziokulturellen Orten, zuletzt auch in der Immanuelskirche, Formationen, die aufgeschlossene Musikfans zu spannenden Entdeckungsreisen einladen. Monat für Monat reiht sich eine Veranstaltung an die andere. Und die Leute kommen, um sich überraschen zu lassen, auch wenn die Angebote nicht immer leicht zugänglich sind. Phillip Dornbuschs Projektor zählt zu den Formationen, die eingetretene Musikpfade links liegen lassen. Ihre dritte CD „Revolt“ hat sie mit im Gepäck, um sie vor der offiziellen Veröffentlichung am 20. September vorab in der soziokulturellen Einrichtung Loch zu präsentieren.
Stets in Bewegung
Nach den Scheiben „Refrlex“ und „ReIconstruct“ hat sich Bandleader Phillip Dornbusch mit Protestmusik auseinandergesetzt. Von politischen Protestliedern aus Estland und Iran ließ sich der Komponist und Tenorsaxophonist inspirieren und schuf freitonale Stücke wie „Take My Hand“, „The Art Of Resistance“ und „Run“, die aufhorchen lassen. Genauso wie die Werke „Arlo“ und „Inescapable Network Of Mutuality” von den Vorgänger-Alben sind sie handwerklich gekonnt strukturell klar durchkomponiert, mit Themen in Form von ein paar Intervallen, wenigen Tönen oder kurze Melodiefolgen, die sich im weiteren Verlauf auflösen, entfremdet oder neu zusammengesetzt werden. Dabei changieren Klangfarben, mutieren eingängige Rhythmen hin zu komplexen, die nacheinander ablaufen oder geschichtet werden. Freie Improvisationen und kompositorisch feste Notationen gehen fließend ineinander über. Die ruhig und forsch angelegten Nummern sind stets in Bewegung, fließen durchgehend oder nehmen bewusst eine holpernde Note an.
Trotzig, betrübt, ausgelassen
Dornbusch und seine Partner aus Berlin, Köln und Estland – Kirke Karja (Piano), Johannes Mann (Gitarre), Roger Kintopf (Kontrabass) und Philip A. Dornbusch (Schlagzeug; nicht verwandt mit dem Bandleader) – gehen eine mannigfaltige musikalische Interaktion ein: Sie spielen die vertracktesten Tonfolgen im Unisono absolut homogen, gehen dann eigene Wege, ohne sich zu verlieren, werfen sich gegenseitig Spielbälle zu, die von den Kollegen sensibel untermalt werden oder wie Kontrapunkte kommentiert.
Diese komplexe Musiksprache bietet dem Zuhörer zwar wenig Gelegenheit, sich wohlzufühlen. Dafür ist sie zu beziehungsreich. Wer sich aber die Mühe macht, konzentriert zuzuhören, erkennt die darin enthaltenen Stimmungsbilder wie trotzig, betrübt, gelassen oder ausgelassen sowie auch Bezüge zum Bebop, Hard Bop oder Cool Jazz.
Das Publikum zeigt sich begeisterten Beifall. Es spendet lang anhaltenden Schlussapplaus, wofür sich da Quintett mit einer Zugabe bedankt.
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