„Waldfrieden“, so nennt der britische Bildhauer Tony Cragg seinen Skulpturenpark, den der Akademieprofessor zu Düsseldorf in seiner bergischen Wahlheimat eröffnet hat. Zum 14 Hektar fassenden Gelände gehört eine Villa als anthroposophischer Traum in Altrosa, ohne rechte Winkel, dafür mit geschwungenen Terrassen. Auf den Fundamenten des ehemaligen Schwimmbads ist ein gläserner Ausstellungspavillon entstanden, in dem Konzertreihen und hochkarätige Wechselausstellungen stattfinden. Mario Merz machte 2008 den Anfang; Chillida, Dubuffet, Richard Long folgten. Und der Park selbst, mehr als nur eine grüne Lunge, derer es im Bergischen ja so wunderbar Vielfältige gibt, ist eine Art Zauberwald, in der sich für Schatzsucher 20 Skulpturen versteckten.
Freiluftspektakel für alle Sinne
„Die Sternmagnolie blüht. Das ist das Zeichen für den Saisonbeginn“, erklärt der Hausherr den Auftakt einer einzigartigen Konzertreihe. Bereits zum vierten Mal hat E. Dieter Fränzel als Künstlerischer Leiter die Klangart organisiert, die Tony Cragg als „erstaunliches Ereignis zeitgenössischer Musik“, beschreibt. Sieben Konzerte wird es in diesem Jahr geben, den Auftakt gestaltet der Senegalese Ablaye Cissoko mit dem in den USA lebenden Volker Götze am 11. Mai im Pavillon.
Der Schwerpunkt bei der diesjährigen Klangart, die nicht als Festival missverstanden werden möchte, sondern jedes Konzert als einzelnen Glanzpunkt herausstellt, liegt auf afrikanischer Musik. Dabei darf auch gerne mit dem weitläufig gepflegten Vorurteil, Afrika sei ausschließlich der Kontinent der Trommeln, gebrochen werden. „Die Klangart wird die Vielfalt anderer Klang- und Rhythmusinstrumente präsentieren“, beschreibt es der Künstlerische Leiter. Dass dieser Akzent gesetzt wird, ist der Schau „Skulpturen und Masken aus Nigeria“ geschuldet. Diese 35 afrikanischen Objekte (bis zum 15. Juli ausgestellt) „lassen sich gut mit Konzerten verbinden“. Gemeinsamer Nenner aller Termine ist, absolut jenseits dessen zu sein, was gemeinhin Mainstream genannt wird. Lange und sorgfältig recherchiert hört Fränzel sich Musiker und Formationen an, um zu prüfen, was ins Konzept passt. „Ich orientiere mich am Ort und seiner Umgebung. Da passt nur Besonderes und Originelles, nie etwas Kopiertes.“ So wie besagtes Auftaktduo Ablaye Cissoko mit Volker Goetze, die als einzige im Pavillon spielen werden. „Der Pavillon ist eine besondere Herausforderung, weil es ein besonderer Klangkörper ist“, wissen die Veranstalter, der das Duo an Kora, einer sogenannten Stegharfe, und Trompete begegnen will. Sie selbst beschreiben ihr Tun wie folgt: „ Aus unserer Verschiedenheit wächst eine Kraft.“
Interessante Töne, ungehörte Melodien
„Die Zusammenstellung aller Konzerte soll ein Spektrum abbilden“ ist das erklärte Ziel der Klangart-Organisatoren. War in der Vergangenheit durchaus eine Jazz-Tendenz ausmachbar, könnte ein übergreifender Titel diesmal „Weltmusik“ heißen.
Alle Klangart-Teilnehmer hat der Künstlerische Leiter zunächst genau unter die Lupe genommen, übrigens am liebsten bei Live-Auftritten und nicht bloß aus der Konserve per CD, ehe er sie für den Sommer verpflichtete. „Als wir vor vier Jahren begonnen haben, hätte ich nicht gedacht, dass es eine so lang anhaltende Erfolgsgeschichte würde.“ Längst muss er nicht bei Wunschkünstlern antichambrieren, längst fragen Musiker im Skulpturenpark an, ob es nicht auch für sie einen Termin zum Konzert gäbe. Besondere Glanzlichter in dem abwechslungsreichen Aufmarsch bemerkenswerter Musiker sind in diesem Jahr am Samstag, 14. Juli, Sängerin Ana Moura, einen Tag später gefolgt von der Folk-Poetin Fatoumata Diawara.
Diese durch die Vorjahre bewährte Mischung aus besonderen Tönen und hörenswerten Texten hat das Konzept Klangart zu einer renommierten Veranstaltung gemacht, deren Zuhörer längst aus dem sehr weiten Umkreis ganz NRWs anreisen. Bis zu 650 Gäste wurden 2011 zu den Freiluftveranstaltungen begrüßt. „Und wenn es mal regnet, dann zieht man eben ein Cape über“, fasst Tony Cragg die Theorie zusammen, es gäbe kein schlechtes Wetter, sondern bloß unpassende Kleidung. Das Vergnügen an der Sache würde er sich von ein paar Regentropfen jedenfalls nicht nehmen lassen.
„Klangart 2012“ I alle Konzerte Open Air-Veranstaltungen I das komplette Programm: www.skulpturenpark-waldfrieden.de
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