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Arbeiten im Importgeschäft: Rolf Witteler (l.) und Oliver Fröschke (r.) von Le Pop Musik
Foto: Mathilde Hawkins

Die Musik der Nachbarn

02. Mai 2022

Rolf Witteler über das Jubiläum des Kölner Labels Le Pop Musik – Interview 05/22

2002 überraschte die Compilation „Le Pop“ aus Köln mit einem Blick auf die luftige Popmusik der französischen Nachbarn. Gut 20 Jahre, 15 Compilations und rund 40 Artist-Alben später veröffentlichen die Labelmacher Oliver Fröschke und Rolf Witteler nun „Le Pop 10“.

engels: Lieber Rolf Witteler, hättet ihr damals gedacht, dass euch das Thema der „chansons de la nouvelle scène française“ – so der Untertitel Eurer Compilation-Reihe „Le Pop“ – so lange begleitet?

Rolf Witteler: Obwohl man mit dem Zug in vier Stunden in Paris ist, kam damals die tolle Musik aus Frankreich wegen der Sprachgrenze nicht nach Deutschland. Das wollten wir Anfang der 00er-Jahre mit der ersten „Le Pop“-Compilation ändern. Mit der zweiten und dritten Compilation merkten wir dann, dass die Szene in Frankreich immer größer wurde. Neben dem frankokanadischen Label La Tribu, das die Alben von Jérôme Minière („Petit Cosmonaute“ war 2004 das erste Artist Album von Le Pop Musik/Anm. d. Red.) veröffentlicht, konnten wir auch tôt Ou tard, das wohl wichtigste Label für den neuen Chanson in Frankreich, für uns gewinnen. Mit denen haben wir dann zwei der bedeutendsten Musiker:innen zu uns geholt: Mathieu Boogaerts und Françoiz Breut. Später kamen Jeanne Cherhal, Vincent Delerm und einige andere dazu, und dann ging das so in die Breite, dass man überhaupt keine Probleme mehr hatte, jedes Jahr so eine Compilation mit tollen neuen Chansons rauszubringen. Die Szene explodierte regelrecht …

Hat euch der Erfolg zu Beginn überrumpelt?

Das war am Anfang tatsächlich etwas irreal. Wegen der ganzen Presseberichte habe ich mir dann am Kiosk nicht nur FAZ, taz oder Die Zeit, sondern auch GQ, Focus oder Stern gekauft, die ich eigentlich gar nicht lese. Das war sehr beeindruckend. Uns war aber nicht ganz klar, was das genau bedeutet: Sind das nur unsere 15 Minuten Ruhm?

Euer Thema ging gleich in die Feuilletons. War das kalkuliert? Bei arte hat man da doch gleich ein Abo auf die Berichterstattung, oder?

Komischerweise gar nicht. Es war viel einfacher, mal einen Tagestipp bei Kulturzeit auf 3sat zu bekommen. arte hat eine deutsche und eine französische Redaktion. Letztere scheint uns nicht zu brauchen, weil wir einen Blick von außen pflegen, der zu einer ganz anderen Auswahl führt. Die Erwartungen an solch ein Genre sind in Frankreich und Deutschland sehr unterschiedlich.

Ihr blickt außerdem durch die Brille von Musikfans mit einem Background aus allen möglichen Musiken jenseits des Mainstreams. Da passt es, dass Jérôme Minière mit Elektronik spielt, Mathieu Boogaerts Reggae-Rhythmen einbaut und Françoiz Breut die Indie-Liebhaber bedient.

Genau! Und man hat hier in Deutschland gar nicht mitbekommen, dass auch in Frankreich diese Wiederentdeckung der eigenen Sprache im Underground wie hier bei der Hamburger Schule stattgefunden hat. Damit hat in Frankreich eine Art Entrümpelung des Chansons stattgefunden. Chanson-Klischees wie Akkordeon hört man bei den jüngeren Musiker:innen nicht mehr.

Bei aller Innovation – gab es zwischendurch nicht so etwas wie Ermüdungserscheinungen bei euch?

Eigentlich nicht. Und heute sind wir schon eine Generation weiter als zu Zeiten der ersten Le Pop-Compilation. Das fing schon bei „Le Pop 9“ an, die deswegen im Untertitel „au début“ hieß. Bei den Jungen mussten wir uns erst mal wieder neu vorstellen, weil die uns gar nicht kannten. Teilweise sind die in Frankreich schon sehr bekannt, andere wie Emma Peters oder auch Iliona von „Le Pop 10“ stehen kurz vor ihrem Durchbruch. Man merkt das an Terminschwierigkeiten, wenn man Konzerte organisieren will ...

Klingen die jungen Musiker auf „Le Pop 10“ auch anders?

Bei Emma Peters und Iliona, aber auch bei UssaR, P.R2B oder Ariane Roy aus Kanada merkt man den Einfluss von schwarzer Musik, von R‘n‘B und Hip Hop. Vieles hat eine Soul-Note bekommen. Wir finden, dass die Szene so aufregend ist wie nie zuvor. Neben den musikalischen gibt zwei weitere Neuerungen: Zum einen ist der Einfluss von Frauen viel größer geworden, sie dominieren ganz klar den französischen Chanson. Zum anderen kommt es immer häufiger vor, dass Schauspieler:innen auch Musik machen, so wie die Belgierin Edwige, Camélia Jordana oder Elisa Erka – die ist so etwas wie eine französische Tatort-Darstellerin – die alle auf der neuen Compilation vertreten sind. Die Beherrschung der Sprache – das passt zur Schauspielerei ebenso wie zum Chanson.

Interview: Christian Meyer-Pröpstl

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