Tja, die Sparte U-Musik scheint in mancherlei Hinsicht kurzlebig zu sein. Fragt man diejenigen, die in den 1960er und -70er Jahren zu klein oder noch nicht auf der Welt waren, nach der Band Ten Years After, kommt sehr oft nur ein Kopfschütteln oder „noch nie gehört“ als Antwort. Doch die Namen Jimi Hendrix, The Who und Joe Cocker kommen öfter, seltener doch immerhin Janis Joplin, Santana, Grateful Dead über deren Lippen. Und das Woodstock-Festival 1969? Davon haben fast alle etwas gehört. Und wer ist damals dort aufgetreten? Man fängt an zu stottern. Ein paar Namen werden richtig genannt. Doch von Ten Years After ist überhaupt keine Rede. Ein Jahr zuvor erschien ihr zweites Album „Undead“, worauf die Einladung zu diesem, in die Annalen eingegangene, Festival folgte. Anschließend ging der Bekanntheitsgrad weltweit steil nach oben. Als die Band sich 1975 zunächst auflöste, hatte sie bereits für die Fans Kultstatus erlangt und war federführend in Sachen britischer Bluesrock und gehörte mit zu den bekanntesten Bands im goldenen Zeitalter des Rock'n'Roll. Nach ein paar Konzerten anno 1983 gab es von 1988 bis 2003 wieder eine lange Zeit. Dann gab es Personalwechsel. Geblieben sind Keyboarder Chick Churchill und Ric Lee an den Drums. Bassist ist nun Colin Hodgkinson. In der Nachfolge von Alvin Lee und Joe Gooch steht Sänger und Gitarrist Marcus Bonfanti vorne. Diese bis heute unveränderte Formation brachte 2017 das Album „A Sting In The Tale“ auf dem Markt und ist seitdem regelmäßig unterwegs.
Personalwechsel
Im Wuppertaler Live Club Barmen machen die vier bodenständigen Musiker halt. Und wer pilgert aus diesem Anlass dorthin? Selbstredend so gut wie ausschließlich die ältere Generation, die für ein fast volles Haus sorgt und in alten Zeiten schwelgt. Los geht es zunächst mit Stücken aus dem erwähnten Album, etwa „Silverspoon Lady“. „Land Of The Vandals“ ist der ausgezeichnete Opener: Zu unruhigen Tönen aus dem Off kommen die Vier auf die Bühne und rocken sofort so richtig ab. Auch das Publikum nimmt sofort Fahrt auf: kein Act, der nicht grölend gefeiert wird. Man hört auf Anhieb, dass sie mit den Nummern neueren Datums dem TYA-Stil von damals treu geblieben sind, doch eine Spur mehr Biss Richtung Heavy Metal und ein wenig mehr melodische Züge in sich tragen. Dabei geben sich die beiden Herren der ersten Stunde fit wie ein Turnschuh. Sorgt Lee für knackig-rockige Rhythmen, entlockt Churchill dem Keyboard exzellente bluesige Harmoniefolgen und Läufe. Hodgkinsons Bassfundamente sind stets satt, bodenständig-groovend. Bonfanti steht mit seiner rauen Stimme und seinem kräftigen Gitarrenspiel trotz kürzerer Soli den Qualitäten des legendären Alvin Lee in nichts nach.
Richtung Heavy Metal
Quasi wie ein Ruhepunkt ist der Mittelteil des Konzerts gehalten, als Bonfanti zur akustischen Gitarre greift und sich wie Hodgkinson hinsetzt. Vier lupenreine Blues Tracks wie „Me And My Baby“ und „Losing The Dogs” kommen ruhig, akustisch-schlicht daher.
Anschließend werden, worauf viele gewartet haben, die populärem Klassiker angeschlagen, darunter „Love Like A Man“, „Good Morning Little Schoolgirls“ oder „I Say Yeah“. Wie zu alten Zeiten, vielleicht etwas zu routiniert, sind sie zu erleben.
Und wehe, „I’m going home” wäre nicht von der Bühne gekommen, der Evergreen, der seit Woodstock mit zum Markenzeichen von TYA gehört. Und ja, der Hit kommt, doch erst ganz zuletzt. Man ist selig und wird mit zwei Zugaben für die Jubelstürme entlohnt. Nach „Choo Choo Mama“ ist nach rund 90 Minuten am Stück endgültig Schluss mit der Revival-Show die aufs Neue die Gewissheit mit sich bringt, dass jahrzehntealte U-Musik nach wie vor, ganz jenseits der heutzutage hippen digital generierten Sounds, aktuell sein kann.
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